Schutzgebietsausweisungen mit Augenmaß und Weitsicht
Die Ausweisung von Landschafts- oder Naturschutzgebieten muss mit Augenmaß und Weitsicht im Hinblick der möglichen Auswirkungen auf betroffene Landwirte erfolgen. Bewirtschaftungseinschränkungen und Restriktionen für Um- und Neubau landwirtschaftlicher Infrastruktur können zu gravierenden und existenzbedrohenden Hemmnissen für die Agrarwirtschaft werden. Betroffene Landwirte haben nicht mehr die gleichen Chancen, sich wandelnden Agrarmärkten anzupassen.
Auch auf breite Bevölkerungskreise hätte die vom Landrat zu bestätigende Schutzgebietsausweisung negative Auswirkungen.
Von einer funktionierenden Landwirtschaft hängt nicht nur die Nahrungsmittelversorgung ab, sondern gerade im Landkreis Stendal der Erhalt einer touristisch attraktiven Kulturlandschaft, zahlreiche Arbeitsplätze im vor- und nachgelagerten Gewerbe und ein Großteil der Steuereinnahmen, die für die Gemeinden im sonst strukturschwachen ländlichen Raum überlebenswichtig sind.
Auf einer Gesamtfläche von über 21.200 Hektar mit überwiegend landwirtschaftlich genutztem Acker- und Grünland soll im Landkreis Stendal ein Landschaftsschutzgebiet „Wische“ ausgewiesen werden. Landrat Carsten Wulfänger hat das bis zum Jahresende zu entscheiden. Mit dem Ziel der Erhaltung eines charakteristischen Landschaftsbildes sind mit der Ausweisung auf unbestimmte Zeit Verbote verbunden, die eine sinnvolle Entwicklung der Landwirtschaft deutlich erschweren können. Neben einem strengen Bauverbot, dürften beispielsweise auch keine Obstplantagen oder Wildgatter errichtet werden. Selbst eine Gartenlaube, eine Garage oder ein Schwimmbecken dürften in einem Landschaftsschutzgebiet nicht mehr gebaut werden. Die Schutzgebietsausweisung trifft vor allem auch die Bodeneigentümer in den betroffenen Dörfern, die Abstriche im Verkehrswert ihrer Flächen hinnehmen müssen.
Bereits jetzt liegen 30% der Landesfläche in Landschaftsschutzgebieten. Hinzukommen Flächen in Naturparks, Biosphärenreservaten und Naturschutzgebieten. Auch im Gebiet des neuauszuweisenden Landschaftsschutzgebietes liegen bereits 3 FFH-Gebiete (Fauna-Flora- -Habitate) und ein Vogelschutzgebiet, in denen die Landwirtschaft die besondere Rücksichtnahme auf den Naturhaushalt anerkennt. Ebenso sind prägende Landschaftsbestandteile, wie Hecken oder Grünland, bereits gesetzlich geschützt.
Ein häufig angeführter Grund, Windkraftanlagen aus der Wische herauszuhalten, kann auch ohne LSG erfüllt werden. Die Regionalen Planungsgemeinschaften weisen Eignungsgebiete für Windenergie aus – oder sie sparen eben Gebiete aus.
Eine darüberhinausgehende Unterschutzstellung lehnt der Bauernverband ab. In einem Schutzgebiet wirtschaftende Landwirte sind gegenüber Mitbewerbern benachteiligt. Zwar sind im vorliegenden Entwurf der Schutzgebietsausweisung keine Nutzungsbeschränkungen verankert, doch wird befürchtet, dass diese nachträglich auferlegt werden, wie neuerdings in anderen Ausweisungsverfahren vorgesehen. Auch dass Ortschaften vom Schutzgebiet ausgenommen bleiben sollen, ist nur zum Teil beruhigend. Denn auch Bauten in Ortschaften, die durch ihre Größe und Bauart das Landschaftsbild prägen können, werden infrage gestellt. Ist etwa ein größer dimensioniertes Getreidelager notwendig oder der Ersatzneubau eines Gebäudes, wird das erfahrungsgemäß zum Problem. Ein Ausweichen auf Flächen außerhalb des Schutzgebietes ist aufgrund der Ausdehnung und der zurückzulegenden Wege nicht möglich. Zudem entspricht die derzeit freigelassene Gebietskulisse an den Orten nicht dem perspektivischen Bedarf.
Im Landkreis Stendal wirtschaften über 600 Agrarbetriebe und beschäftigen mehr als 3.000 Mitarbeiter. Diese sorgen für weitere 22.000 Arbeitsplätze vor allem bei kleinen und mittleren Unternehmen der Agrar- und Ernährungswirtschaft, beim Futtermittellieferanten, Landmaschinenhändler, beim Tierarzt oder Handwerksbetrieb. Der Landkreis Stendal und seine Einwohner profitieren vor allem von einer starken Ernährungswirtschaft, die ohne landwirtschaftliche Urproduktion nicht existieren könnte. Allein die Stendaler Landbäckerei, die Altmärker Fleisch- und Wurstwaren, die Milchwerke Mittelelbe und die Milk-Snack Productions GmbH Tangermünde haben zusammen über 1.600 Arbeitsplätze in direkter Abhängigkeit von Qualitätsackerbau und Nutztierhaltung.
Der Bauernverband appelliert an die Verantwortlichen, das Vorhaben abzubrechen. Angesichts der zu erwartenden negativen Auswirkungen auf Landwirtschaft und ländlichen Raum, sollte man überlegen, ob man diese Verantwortung tragen kann und möchte.