Kommentar der Verbandsspitze im Informationsheft 03/2021

Sehr geehrte Verbandsmitglieder, werte Kolleginnen und Kollegen,

nur noch knappe drei Monate sind es bis zur Landtagswahl und ein gutes halbes Jahr bis zur Bundestagswahl. Die Spannung steigt und in Anbetracht der pandemischen Lage wird das sicher ein ganz anderer Wahlkampf, in dem die antretenden Parteien für sich werben, um dann idealerweise in einer Regierung ihre Vorstellungen der eigenen Wählerschaft umzusetzen. Gefühlt läuft der Wahlkampf noch nicht so an, wie man es aus früheren Jahren kennt und auch die Parteien haben so ihre eigenen Herausforderungen des Arbeitens unter Corona-Bedingungen. Im Gegensatz zu Vereinen und Verbänden, die ein wichtiges Korrelativ in der Wahrnehmung von Interessen gegenüber Politik und Verwaltung sind und die gerade nicht in einen physischen Tagungsrhythmus zurückkehren, können die Parteien ihre eigenen Veranstaltungen jedoch abhalten, genauso tagen kommunale Gremien. Eine gewisse Schieflage im Umgang mit Corona ist nicht abzustreiten, diese muss umgehend beendet werden. Partizipation in Vereinen und Verbänden und die persönliche Teilnahme an deren Angeboten fördert und unterstützt die gesellschaftliche Meinungsbildung und ist in einem Wahljahr umso wichtiger. Wir brauchen dringend eine Rückkehr zu unserer gelebten Vereinskultur, sonst geht uns hier für viele Jahre etwas dauerhaft und unwiederbringlich verloren. Daran muss auch eine noch amtierende Landesregierung ein veritables Interesse haben.

Warum diese Einleitung? Weil wir uns in einer gesellschaftspolitischen Phase des Landes befinden, die mehr als dringend eines tiefergehenden Diskurses und vor allem breit angelegter öffentlicher und medial kontroverser Debatten über die Ausrichtung der Republik bedarf. Das betrifft auszugsweise die Wirtschaftspolitik, die Umweltpolitik, die Mobilitätspolitik, den generellen Umgang mit steuerzahlenden Bürgern, mit Eigentum an Grund und Boden, mit der Freiheit von Wissenschaft und Forschung und vor allem auch den Umgang mit vom Mainstream abweichenden Meinungen. Es geht nicht darum denen eine Plattform zu bieten, die nur ihre eigenen Ansichten wiedergegeben haben wollen, sondern unterschiedliche Blickwinkel zuzulassen und nicht nach einfachen Erklärungen zu suchen. Wir leben in einer Welt, die mit rasantem Tempo immer komplexer wird, doch muss bei weitreichenden politischen Entscheidungen weiterhin ein umfassender und polarisierender Austausch möglich bleiben.

Weshalb ist die weitreichende Debatte wichtig und warum braucht es das Engagement aller Bürger? Weil wir viel zu lange an relevanten Stellen nicht konsequent genug debattiert haben und sich somit von Minderheiten Gesagtes in den veröffentlichten Sprachgebrauch und teilweise in Regierungshandeln übertragen hat. Das bedeutet nicht, dass alles verkehrt ist, was nicht dem eigenen Gusto entspricht, aber nur in eine Richtung kann es nie gehen. Ein Beispiel aus der Landwirtschaft gefällig? So hat eine schweigende Mehrheit viel zu lange nicht widersprochen, wenn man von flächengebundener Tierhaltung spricht. Für einen gewerblichen Tierhalter ist seine Tierhaltung flächengebunden, wenn er mit Nachbarbetrieben kooperiert – für die Mehrheit politischer Vertreter ist sie das nicht. Für diese ist flächengebundene Tierhaltung nur dann gegeben, wenn man nur die Tierzahl hält, die man auf seiner eigenen landwirtschaftlichen Fläche ernähren kann. Alles andere ist „gesellschaftlich nicht erwünscht“. Nur wer ist die Gesellschaft, die das formuliert hat? Gehören gewerbliche Tierhalter nicht mehr zur Gesellschaft? Für Landwirtinnen und Landwirte sind das oft Spitzfindigkeiten, doch solche Grundsatzfragen müssen gestellt werden, denn andere Gruppen legitimieren auf diese Art, im Namen „der Gesellschaft“, ihr Streben nach einer für sie idealen Landwirtschaft. Und das ohne weitere Rücksicht auf die möglichen Folgen für betroffene Landwirte, sondern als Musterbeispiel eines Paradigmenwechsels und weg von der arbeitsteiligen Wirtschaft.

Hier gilt es stärker anzusetzen: Landwirtinnen und Landwirte mit ihren Familien und Mitarbeitern sind fundamentaler Teil der Gesellschaft. Und das meine ich wörtlich, denn die Leistung des landwirtschaftlichen Sektors bildet das tägliche Fundament der ländlichen Räume und der gesamten Gesellschaft. Leider haben wir uns als Branche in der Vergangenheit viel zu sehr von Begrifflichkeiten treiben lassen und geglaubt, durch immer mehr Angebote an unsere Kritiker würde sich etwas in unserem Sinne ändern. Das ist bisher nur selten gelungen. Es braucht daher ein entschiedenes Eintreten gegen das fortschreitende Framing von Begrifflichkeiten, auch wenn es schwerfällt zu verstehen, was eigentlich gemeint ist. Faktisch kann man es auch anders sehen: Wer gute Argumente für ein Anliegen hat, der kann diese auch offen und breit darlegen und diskutieren lassen.

Umso mehr muss aktuell darauf geachtet werden, was im Schatten der Corona-Krise angeschoben wird. So verknüpft etwa die Leopoldina in ihrer Funktion als Politikberatung für die Bundesregierung die Bekämpfung der Corona-Krise mit dem Klimaschutz: „Angesichts der tiefen Spuren, welche die Coronavirus-Krise hinterlassen wird, vor allem aber wegen der mindestens ebenso bedrohlichen Klima- und Biodiversitätskrise, kann es nicht einfach eine Wiederherstellung des vorherigen Status geben.“ Als politische Gegenmaßnahmen werden dann in einem Green Deal eine „klimafreundliche Wirtschaft“, eine „konsequente Mobilitäts- und Landwirtschaftswende“, eine „nationale Wasserstoffstrategie“ und eine „Neuregelung des Strommarktes“ gefordert. Finanziert wird die Leopoldina, die in Halle/Saale angesiedelt ist, zu 80 % vom Bund und zu 20 % vom Land Sachsen-Anhalt. Wir werden wohl in nicht allzu ferner Zukunft sehen, welche politischen Entscheidungen mit Verweis auf diese Äußerungen der Leopoldina begründet werden sollen. Aber auch hier gilt: Eine fundierte Diskussion ist notwendig, das Hinnehmen von Äußerungen funktioniert nicht mehr, wenn wir dauerhaft den Zusammenhalt unserer Gesamtgesellschaft befördern wollen.

Ihr

Marcus Rothbart

Blick ins Heft:

Umweltschutz ist ohne Verbotsflut möglich

Am 10. Februar 2021 wurden durch das Bundeskabinett die Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes (ursprünglich: Gesetz zum Schutz der Insektenvielfalt in Deutschland) und die Änderung der Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung auf den Weg gebracht. Bereits seit dem ersten Bekanntwerden hatten sich Landwirtinnen und Landwirte und deren Berufsverbände gegen dieses sogenannte „Insektenschutzpaket“ der Bundesregierung ausgesprochen.

Ein maßgeblicher Grund dafür ist, dass das Insektenschutzpaket eine Abkehr von Kooperation zwischen Umweltschutz und Landwirtschaft bedeutet. Stattdessen will die Bundesregierung neue Vorschriften durchsetzen, die über die EU-weit geltenden Regeln hinausgehen. Teilweise sollen freiwillige Umweltleistungen, für die Landwirtinnen und Landwirte aktuell einen Ausgleich bekommen, zukünftig zum Standard erklärt werden. Diese Maßnahmen sind dann nicht länger förderfähig, sondern müssen allgemein umgesetzt werden. Dabei wird nicht berücksichtigt, ob damit tatsächlich ein Mehrwert für Flora und Fauna erreicht wird.

Pauschale Verbote, beispielsweise von zugelassenen Pflanzenschutzmitteln, hatten in der Vergangenheit dazu geführt, dass etwa die Anbaufläche von Raps deutlich zurückgegangen ist. Durch eine politische Verengung der Kulturpflanzen-Vielfalt, mit denen die Betriebe auch Geld verdienen können, würden insbesondere Obst- und Gemüsebauern benachteiligt. Die bundesweite Nachfrage kann in solchen Fällen dennoch bedient werden – von Landwirten aus dem Ausland, bei denen die allgemein in der EU geltenden Vorgaben greifen. Damit würde die Landwirtschaft vor Ort künstlich geschwächt, ohne grenzübergreifend etwas zu erreichen.

Ein Ausbau der Umweltleistungen von Landwirtinnen und Landwirten ist möglich, wenn Vorhaben kooperativ und gezielt umgesetzt werden. Maßnahmen wie mehrjährige Blühstreifen können eine Verdopplung oder gar Verdreifachung der Artenvielfalt auf den Flächen bewirken, ohne die gesamte Ackerfläche mit pauschalen Verboten zu überziehen. Dass das nicht nur graue Theorie ist, wird unter anderem in zehn Beispielbetrieben deutschlandweit erprobt. Einer dieser Betriebe ist in Sachsen-Anhalt. In der Zwischenbilanz des Verbundprojektes F.R.A.N.Z. (Für Ressourcen, Agrarwirtschaft & Naturschutz mit Zukunft) wird unter anderem beschrieben, dass besonders die Bürokratie auf EU- und Bundesebene abgebaut werden muss. Etwa wird eine Flexibilisierung hinsichtlich genauer Terminvorgaben empfohlen, wodurch sich Landwirtinnen und Landwirte an die bei ihnen vorkommenden, natürlichen Begebenheiten anpassen können. Auch klar formulierte, jederzeit aktuelle Informationen zu Förderungen und transparente Erklärungen der ökologischen Ziele von Maßnahmen sind unverzichtbar, wenn Landwirtinnen und Landwirte aktiver eingebunden werden sollen.

Grundsätzlich können bundesweit wirksame Vorhaben zum Ausbau der Artenvielfalt von Flora und Fauna nur gelingen, wenn landwirtschaftlichen Betrieben wirtschaftliche Anreize geboten werden. Jährlich strengere und nicht entlohnte Vorgaben, teils ohne klare Zielsetzung, werden weder erfolgreich sein noch Akzeptanz finden. Abzulehnen ist ein Missbrauch der europäischen Agrarzahlungen für partielle politische Vorhaben. Darüber hinaus muss politisch deutlich ehrlicher mit der Datenlagen zum vielzitierten Rückgang von Insekten und Wildpflanzen umgegangen werden. Die Umwelteinflüsse von Verkehr, Zersiedelung, Lichtverschmutzung und weiteren Faktoren sind nicht ausreichend erforscht, um immer pauschal auf die Landwirtschaft abzustellen.

 

Hintergrund: Das Verbundprojekt F.R.A.N.Z. steht unter der Schirmherrschaft der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, und nukleare Sicherheit, Frau Svenja Schulze, und der Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft, Frau Julia Klöckner. Das Projekt der Umweltstiftung Michael Otto und des Deutschen Bauernverbandes e.V. wird durch das Johann Heinrich von Thünen-Institut, den Naturschutzbund Deutschland e.V. und die Georg-August-Universität Göttingen wissenschaftlich begleitet.

Kommentar von Olaf Feuerborn

Werte Verbandsmitglieder, liebe Bäuerinnen und Bauern,

in meinem Kommentar an dieser Stelle im vergangenen Dezember bin ich auf einige Aspekte des Jahres 2020 eingegangen. Diesmal möchte ich mit Ihnen einen Blick auf ein paar Punkte werfen, die wir als Ihr Bauernverband Sachsen-Anhalt in diesem Jahr angehen werden. Und auch wenn wir alle das Thema langsam leid sind, muss ich bei Corona anfangen. Die Auswirkungen durch unvorhergesehene Entwicklungen im Markt halten an und wie wir alle wissen kann unsere Landwirtschaft nicht „mal eben“ die Produktion umstellen. Und auch die Betriebe, die sich in den vergangenen Jahren ein Standbein im Tourismus aufgebaut und darin investiert haben, treffen die Einschnitte in unsere Bewegungsfreiheit. Es wird eine gewaltige einzelbetriebliche wie auch verbandliche Kraftanstrengung, diese hoffentlich letzte Lockdown-Phase zu überstehen und danach wieder in einen geregelten Betrieb zu finden. Wir als Berufsstand sind dabei aber keineswegs handlungsunfähig, wie wir im ersten Lockdown bewiesen haben. Die gut 40.000 Saisonarbeitskräfte, die maßgeblich durch die Bemühungen des Deutschen Bauernverbandes mit dem Flugzeug einreisen konnten, sprechen da für sich. Auch in diesem Frühjahr werden wir uns mit solchen Herausforderungen konfrontiert sehen. Ich versichere Ihnen, wir werden auch dieses Mal unser Menschenmöglichstes tun, um für die Mitglieder unseres Verbandes tragbare Lösungen zu erreichen.

Ein Themenblock, der planmäßig in diesem Jahr auf uns zukommt, ist die Landtagswahl in Sachsen-Anhalt. Natürlich steht im Herbst auch eine Bundestagswahl an, aber bei politischen Aktionen wie dem Entwurf zum Agrarstrukturgesetz sehen wir, dass die Landesebene nicht weniger wichtig ist. Anfang des Jahres wurde dieses Thema, was fast ausschließlich uns Landwirtinnen und Landwirte betrifft, bereits mehrfach von den Landesmedien aufgenommen, teils sogar noch vor Corona. Dazu hat maßgeblich beigetragen, dass wir uns als Verband klar und medienwirksam positioniert haben: Wir lehnen diesen Entwurf eines Agrarstrukturgesetzes ab. Die Gründe dafür sind vielfältig und wurden hier im Infoheft und exklusiv in den Rundschreiben und Wochenbriefen immer wieder dargestellt, seit über das Agrarstrukturgesetz diskutiert wird. Auf einen Punkt möchte ich aber nochmals hinweisen: Die Verfasser des Agrarstrukturgesetz-Entwurfes sehen jede Landwirtin und jeden Landwirt, der in den letzten Jahrzehnten die Betriebsflächen in seiner Gemarkung arrondieren konnte, als „Monopolisten“ an.

Wie auch zur vorangegangenen Landtagswahl werden wir die Programme der Parteien auf Herz und Nieren prüfen und dabei genau beobachten, welche Punkte zur Landwirtschaft und zum ländlichen Raum insgesamt aufgenommen sind. Darüber werden wir auch hier im Informationsheft berichten. Viele Landwirtinnen und Landwirte haben das Gefühl, dass sich Wahlen mittlerweile hauptsächlich in den Städten abspielen. Deswegen werden wir Wahl- und Kandidaten-Informationen organisieren. Wir haben noch im letzten Jahr dafür eine wichtige Vorarbeit geleistet. Auf dem Bauerntag wurden durch die Delegierten 60 Forderungen verabschiedet. Wir fordern unter anderem, dass die regionalen Ämter für Landwirtschaft, Flurneuordnung und Forsten, die Landesanstalt für Landwirtschaft und Gartenbau sowie die Strukturen der Forstverwaltung dauerhaft erhalten und gestärkt werden. Eine Unterordnung landwirtschaftlicher Belange unter Strukturen des Umweltschutzes ist nicht zu tolerieren. Weitere Punkte in dem Forderungspapier, das auch an alle Parteien geschickt worden ist, beziehen sich auf Steuerpolitik, Wirtschaftskraft und Eigentum, Bildung, Nutztierhaltung und Umweltschutz.

Ein Aufgabenfeld im Jahr 2021 wird das Thema Photovoltaik sein. In den Kreisvorständen und dem Landesvorstand wurde die langwierige, aber wichtige Beratung unternommen, die vergangenen Herbst in eine Positionierung zu dem Thema mündete. Das Thema Photovoltaik ist umstritten, in Anbetracht der Projekte in manchen Bundesländern ist das auch völlig verständlich. Ein Punkt, in dem sich aber wohl alle Landwirtinnen und Landwirte einig sind, ist: Kein Bauer oder Anwohner will einen Mega-Park mit Photovoltaik-Modulen in der Nachbarschaft. Unser Ziel ist, dass wir Lösungen finden, die unsere Betriebe stärken und die zu keiner Umwandlung von Ackerland in Grünland führen. Ein Weg kann Agro-Photovoltaik sein, bei allen Lösungen wird es aber auf die Rahmenbedingungen ankommen. Deshalb haben wir Anforderungen formuliert, unter welchen Bedingungen Photovoltaik in Verbindung mit unserer Landwirtschaft in Sachsen-Anhalt etabliert werden kann. Damit wir das erreichen, werden wir diesen Prozess von Anfang an mitgestalten.

Ihr Olaf Feuerborn

 

Blick ins Heft:

 

 

Jahresauftakt-Pressekonferenz 2021

Im dritten Jahr in Folge hat der Bauernverband Sachsen-Anhalt e.V. Journalistinnen und Journalisten aus Sachsen-Anhalt und von landwirtschaftlichen Fachmedien zu einer Jahresauftakt-Pressekonferenz eingeladen. Aufgrund der Gesamtsituation wurde das Format digital durchgeführt. Insgesamt 15 Themenblöcke standen auf der Tagesordnung, u.a. das Dauerthema Corona, Perspektiven im Ackerbau, die Situation auf den Märkten, neue Wege mit Erneuerbaren Energien, aktuelle Agrarpolitik sowie die komplizierte und angespannte Lage der Tierhalterinnen und Tierhalter Sachsen-Anhalts. Die Aufgabenfelder der Landwirtinnen und Landwirte und ihres Bauernverbandes sind zu Beginn des Jahres 2021 nicht kleiner geworden.

Auf der Jahresauftakt-Pressekonferenz ging es weniger um das vergangene Jahr, Thema war die Zukunft. Etwa werden die Landtagswahl sowie die Bundestagswahl 2021 für die Mitgliedschaft ein zentrales Thema sein. Die Delegierten des Bauernverbandes Sachsen-Anhalt hatten Ende 2020 auf dem Bauernverbandstag ein 60-Punkte-Programm für den künftigen Koalitionsvertrag verabschiedet, die Verbandspräsident Olaf Feuerborn auszugsweise angesprochen hat, darunter das Thema Berufsbildung:

„Die Berufs- und Hochschulbildung muss gestärkt werden, dazu brauchen wir ein klares Bekenntnis.“

Ebenso fordert der Bauernverband Sachsen-Anhalt e. V., dass Gesetze zukünftig nur noch mit einer umfassenden wirtschaftlichen Folgenabschätzung für alle Wirtschaftspartner verabschiedet werden. Die bei neuen gesetzlichen Vorhaben besonders betroffenen Landwirtinnen und Landwirte sowie die Bevölkerung des ländlichen Raumes insgesamt haben Anspruch auf eine transparente Darstellung von Kosten, die sie betreffen. Eine solche Ausweisung des Erfüllungsaufwandes ist eine Bringschuld einer Regierung ihren Wählerinnen und Wählern gegenüber.

In besonderem Maß stehen Tierhalterinnen und Tierhalter vor Herausforderungen. Die Lage in der Rindermast und in der Milchviehhaltung ist weiter angespannt, die Zahl der Betriebe ist rückläufig. Unter anderem ist beim Thema Tierwohl der Konflikt mit dem Emissionsschutz anzugehen. Neue Haltungssysteme und eine weitere Verbesserung der Tierhaltung können implementiert werden, wenn auch langfristige Rechtssicherheit im Baurecht für Um- oder Neubauten besteht. Das ist aktuell nicht der Fall. Im Nachgang der Pressekonferenz unterstrich Olaf Feuerborn gegenüber dem MDR:

„Da muss der Gesetzgeber in die Puschen kommen.“

Auch die sauenhaltenden Betriebe und die Schweinemäster in Sachsen-Anhalt sind weiter unter wirtschaftlichem Druck. Neben den Auswirkungen der Corona-Pandemie kann 2021 die Afrikanische Schweinepest maßgeblich die Rahmenbedingungen der Betriebe bestimmen. Obwohl ASP-Funde bei Wildschweinen bisher nur in Teilen Brandenburgs und Sachsens auftreten, sind die Auswirkungen enorm, insbesondere durch das Wegbrechen von Absatzwegen. Exporte verbleiben zwar größtenteils in der EU, die Exporte nach Asien sind jedoch ökonomisch und auch ökologisch notwendig. Exportiert werden insbesondere die „weniger edlen Teile“, bei denen in Deutschland eine sehr geringe Nachfrage besteht.

Neben Verbandspräsident Olaf Feuerborn nahmen Sven Borchert (1. Vizepräsident, Bördekreis), Lutz Trautmann (Vizepräsident, Kreis Nordharz), Maik Bilke (Vizepräsident, Kreis Wittenberg) und Hauptgeschäftsführer Marcus Rothbart teil. Der Vorstand war zufrieden mit der Resonanz der Pressekonferenz, auch verschiedene Parteibüros hatten sich zum Austausch in die Videokonferenz geschaltet.

Die in der Jahresauftakt-Pressekonferenz angesprochene Düngeverordnung finden Sie zum Nachlesen unter: https://www.gesetze-im-internet.de/d_v_2017/D%C3%BCV.pdf

Deutsche Umsetzung der Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik

Finanzielles Ausbluten der ostdeutschen Landwirtschaft muss verhindert werden

Anlässlich der heute stattfindenden Amtschefkonferenz der Agrarminister der Bundesländer haben die Präsidenten der ostdeutschen Landesbauernverbände in einem gemeinsamen Positionspapier vor den Folgen einer verfehlten innerdeutschen Verteilung der insgesamt 6,4 Milliarden Euro/Jahr aus der Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik für die Landwirtschaftsbetriebe in den Neuen Bundesländern gewarnt. „Sollten die ostdeutschen Betriebsstrukturen nicht angemessen Berücksichtigung finden, wäre das Erreichen wichtiger EU-Ziele, wie Einkommenssicherung, stabile Agrarstruktur und das Erreichen der Umweltziele, für eine gesamte Region eines Mitgliedsstaates massiv gefährdet“, so die Warnung der Bauernpräsidenten.

Ihre Kritik richtet sich vor allem gegen eine Kappung und Degression der Zahlungen an die Betriebe, da hiervon nahezu ausschließlich ostdeutsche Betriebe betroffen wären. So befänden sich 2019 bei einer Kappungsgrenze von 150.000 Euro 1.781 von 1.876 betroffenen Betrieben in Ostdeutschland (95 Prozent). Auch die neu zu bestimmende Umverteilung von Mitteln auf die ersten Hektare der Betriebe würde zu einem massiven Abfluss von EU-Mitteln aus einzelnen Regionen führen. Hier könnten bei einer Umverteilung von 12 Prozent der Mittel statt der aktuell 82,2 Millionen Euro bis zu 130 Millionen Euro aus Ostdeutschland abfließen. Durch diese Maßnahmen werden die ostdeutschen Landwirtschaftsbetriebe wirtschaftlich geschwächt, Wertschöpfung und Arbeitsplätze im ländlichen Raum gefährdet.

Darüber hinaus kritisieren die Bauernpräsidenten, dass mit steigenden Umweltanforderungen auch die einkommens- und betriebsstabilisierenden Wirkungen der Direktzahlungen geschmälert werden. Bereits heute entstehen den Betrieben durch die hohen Anforderungen Wettbewerbsnachteile in Höhe von 246 EUR/ha. Ohne ein verlässliches Einkommen über die Basisprämie sind auch die geforderten Investitionen in Klima-, Arten-, Tier- und Umweltschutz nicht möglich. Die Bauernpräsidenten plädieren deshalb nachdrücklich für einen Erhalt der Basisprämie mindestens auf dem aktuellen Niveau.

Besonderen Wert legen die Bauernverbände auch auf eine EU- und deutschlandweit einheitliche Ausgestaltung der Umweltauflagen für die neue hinzukommenden Eco-Schemes. Die in den Eco-Schemes zu erbringenden Umweltleistungen müssen einfach und praktikabel sein, wenn sie Erfolg haben sollen. Vor allen müssen die Gemeinwohlleistungen verlässlich vergütet werden und nicht zu Lasten der Einkommenswirksamkeit gehen. Dies wird mit einem Betriebsprämienmodell und einer prozentualen Begrenzung der Mittel je Betrieb erreicht.

PDF_Schreiben der ostdeutschen Landesbauernverbände

 

Hintergrundinformationen

Der künftige EU-Agrarhaushalt für Deutschland hat ein Volumen von 6,144 Mrd. EUR/Jahr. Davon entfallen auf die erste Säule 4,916 Mrd. EUR und auf die zweite Säule 1,228 Mrd. EUR/Jahr. Die erste Säule steht für die Basisprämie, Finanzierung der Eco Schemes und den Junglandwirtezuschlag zur Verfügung. Die Finanzierung der Sonderzuschläge für die ersten Hektare wird durch Umschichtungen innerhalb der ersten Säule finanziert. Aktuell liegt der Zuschlag bei 50 bzw. 30 EUR/ha.

 

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Kommentar der Verbandsspitze im Informationsheft 01/2021

Sehr geehrte Verbandsmitglieder,
werte Kolleginnen und Kollegen,
der Start in das Jahr 2021 ist vollbracht und der Jahreswechsel gab hoffentlich die Gelegenheit, bei allen weiter vorherrschenden, widrigen Gesamtumständen, das Jahr 2020 soweit wie möglich abzuhaken. Setzen wir darauf, dass wir wieder in die Spur finden und vor allem die Pandemie gemeinschaftlich derartig in den Griff bekommen, dass die Gesamtwirtschaft mit allen Beteiligten darunter nicht dauerhaft weiter leidet. Das ist anspruchsvoll genug, es wird uns aber nichts anderes übrig bleiben. Was von dem Jahr generell bleibt: Viel weniger persönliche Kontakte, mehr Vorsicht und Zurückhaltung, auf der anderen Seite aber auch eine digital weiter zusammengerückte Welt mit anderen und neuen Chancen der Kommunikation.
Und was kommt 2021? Wir stehen in Sachsen-Anhalt vor einer Landtagswahl im Juni und fünf Jahre Kenia-Koalition neigen sich dem Ende zu, nachdem man diese eben noch mit erheblichen Winkelzügen gerettet hat. Schlag auf Schlag geht es im September weiter mit der Bundestagswahl. Mit beiden Wahlen verbunden ist, dass es am Ende Koalitionsverträge geben muss. In denen wird sich der landwirtschaftliche Sektor in irgendeiner Art und Weise wiederfinden.
Als Bauernverband haben wir diese Wahlen im Fokus und haben unsere Forderungen für die Umsetzung auf Landesebene soweit klar, der digitale Bauernverbandstag am 10.12.2020 hat diese beschlossen. Zusätzlich sind wir in der Vorbereitung von Veranstaltungen auf Kreis- und Landesebene, um im Frühjahr mit den antretenden Parteien in die inhaltliche Diskussion zu kommen und unsere Positionen klarzumachen. Dieser Diskurs ist notwendiger denn je, das letzte Jahr hat vieles an Möglichkeiten des Austauschs ausgebremst. Der unterschiedliche Umgang mit der Pandemie am Ende des Jahres, größere verbandliche Veranstaltungen mit Anwesenheit sind untersagt, parteipolitische und ebenso kirchliche nicht, hat zu einem Ausbremsen der Debattenmöglichkeiten geführt. Das kann auf Dauer für demokratische Willensbildungsprozesse nicht gut sein und hat für Verstimmung gesorgt.
In Vorbereitung der beiden wichtigen Wahlen ist heute schon sicher: Die Landwirtschaft wird ein Hauptkampffeld sein – hier kann man Stimmung machen! Wir werden als Sektor weiter sehr viel auszuhalten haben, da man diesen sehr gut für Wählerstimmen in urbanen Räumen nutzen kann. Wir werden aber auch deshalb als landwirtschaftliche Branche viel auszuhalten haben, da wir bisher noch nicht geschlossen genug auf die vielfältigen verbalen Angriffe aus bestimmten Lagern reagieren. Es ist sehr gut zu beobachten, dass doch so einige Protagonisten glauben, sich persönlich und wirtschaftlich retten zu können, indem man bestimmten, „umweltorientierten“ Richtungen nach dem Munde spricht. Nur wird das niemanden retten. Die garantiert aufkommende Debatte um gute und schlechte Landwirtschaft, um groß oder klein, wird nicht der gewinnen, der glaubt, dass Politik für ihn spricht. Am Ende muss man seinen eigenen inneren Kompass haben und sehen, dass man seinen Betrieb wirtschaftlich durch die Zeit bekommt. Leben und leben lassen als Motto unter Landwirten ist dazu eine gute Losung.
Und eminent wichtig: Testen sie jede, aber auch jede politische Aussage auf mögliche Intentionen und damit Nebenwirkungen. Nur weil Zwei das Gleiche sagen, meinen sie noch lange nicht dasselbe. Im Kern geht es auch um gutes landwirtschaftliches Marketing: Rausstellen was und wo der Vorteil bei der eigenen Produktionsweise liegt und sich nicht darüber verkaufen wollen, indem man andere Produkte schlecht oder Politikern nach dem Mund redet.
Um sich zu informieren, wo die Parteien hinwollen, lohnt sich immer ein Blick in die verschiedenen Parteiprogramme. So haben B90/DIE GRÜNEN jüngst auf 84 Seiten ein neues Grundsatzprogramm mit dem Titel „‚… zu achten und zu schützen …‘ Veränderung schafft Halt“ verabschiedet. Dieses soll für die nächsten 15 – 20 Jahre gelten. Exemplarisch bekommen Sie den Einblick in die Passagen zu „Eigentum und Gemeinwohl“:
(127) Ohne Recht auf Eigentum sind eine freiheitliche Gesellschaft und eine sozial- ökologische Marktwirtschaft unvorstellbar. Gleichzeitig verpflichtet es gesellschaftlich, weil eine zu starke Konzentration von Eigentum in den Händen Weniger Demokratie und Marktwirtschaft bedroht. Es braucht eine gleichere Verteilung von Vermögen und Chancen.
(128) Grund und Boden unterliegen einer besonderen Sozialpflichtigkeit, weil sie unvermehrbar und unverzichtbar sind. Deshalb müssen Renditen in diesem Bereich begrenzt sein sowie Grund und Boden verstärkt in öffentliches oder gemeinwohlorientiertes Eigentum überführt werden. Zum Wohl der Allgemeinheit bietet das Grundgesetz als letzte Möglichkeit die Vergesellschaftung sowie die Enteignung, wo Märkte aus dem Ruder geraten. Bodenwertsteigerungen werden gedämpft und bei Planungsrechtsänderungen wird die öffentliche Hand beteiligt. Die Flächeninanspruchnahme ist zu begrenzen. Unser Ziel ist, den Flächenverbrauch auf Netto Null zu senken und der Staat muss für vielfältig(e) Besitzstrukturen sorgen und eine gerechte Verteilung fördern.
(129) Es braucht neue Formen von gemeinwohlorientiertem oder gemeinschaftlichem Eigentum und eine stärkere Gemeinwohlbindung. Genossenschaften und soziale Unternehmen leisten einen wichtigen Beitrag hin zu einer gemeinwohlorientierten Wirtschaft. Ziel ist, dass Private ihre Dienstleistungen und Produkte barrierefrei anbieten.“
Wenn wir annehmen, Parteien halten sich an ihre Grundsatzprogramme, so geht es im kommenden Wahlkampf und bei Koalitionsverträgen auch um die Verteidigung und den Schutz des Eigentums in der sozialen Marktwirtschaft. Diese gilt immer noch und ist das funktionierende Fundament unseres Sozialstaates. Vergesellschaftung und Enteignung, Verbote und Bestrafung, Neid und Missgunst, werden unsere Zukunft nicht lösen – auch wenn Teile der Gesellschaft davon träumen.
Ihr
Marcus Rothbart

Blick ins Heft: