Pressekonferenz zum Jahresauftakt

Jahresauftakt-Pressekonferenz des Bauernverbandes Sachsen-Anhalt e.V.

Am Dienstag (17.01.2023) erläuterte der Bauernverband Sachsen-Anhalt e.V. in einer Pressekonferenz, welche Themen die Landwirte in Sachsen-Anhalt 2023 bewegen werden. Themen waren unter anderem die Zukunft der Tierhaltung und politische Entwicklungen im Ackerbau.

 

Viele tierhaltende Betriebe in Sachsen-Anhalt schauen mit großer Skepsis auf den geplanten Umbau der Tierhaltung in Deutschland. Die politischen Vorhaben der Bundesregierung sollen mit einer Milliarde Euro über die kommenden Jahre gefördert werden. Bei mehreren Milliarden Euro pro Jahr liegt hingegen der von einem unparteiischen Expertengremium berechnete Bedarf (Borchert-Kommission). Die Tierhalterinnen und Tierhalter befürchten, dass sie die Mehrkosten der neuen Gesetze tragen sollen. Demgegenüber hat sich das Kaufverhalten in Deutschland wieder deutlich mehr nach dem Preis ausgerichtet – zum Nachteil der Betriebe, die heute in höheren Haltungsstufen produzieren.

Dazu erklärt Olaf Feuerborn: „Durch scheinbare Lösungen wie die unfertige Tierwohlkennzeichnung möchte das Bundesagrarministerium den Eindruck erwecken, dass es unseren Landwirtschaftsbetrieben eine Zukunft gewährt. Was Landwirtinnen und Landwirte brauchen, ist eine wirtschaftliche Perspektive. Stattdessen bekommen wir immer mehr Auflagen und sollen politische Visionen umsetzen, die vom Kunden nicht gekauft werden und teilweise nicht umsetzbar sind. Das ist kein Umbau der Landwirtschaft, das ist ein Abbau der Landwirtschaft.“

Auch die Ackerbauern in Sachsen-Anhalt sehen den agrarpolitischen Entwicklungen 2023 wenig optimistisch entgegen. Ein fundamentaler Grund dafür ist die „Verordnung über den nachhaltigen Einsatz von Pflanzenschutzmitteln“ (engl.: Sustainable Use Regulation = SUR). Der Entwurf der EU-Kommission sieht viele neue Auflagen und bürokratische Hürden für Landwirte vor. Zusätzlich zu bereits bestehenden Vorgaben und Dokumentationspflichten soll es beispielsweise umfassende Prüfkataloge für jegliche Anwendungen zum Pflanzenschutz geben. Dabei müssen Landwirte bereits, um Pflanzenschutzmittel einsetzen zu dürfen, eine Qualifikation nachweisen und regelmäßig an Schulungen teilnehmen. Für die Praktiker drängt sich der Eindruck auf, dass die Politik vorsätzlich so hohe bürokratische Hürden aufbauen will, dass diese in der Praxis nicht mehr überschaubar sind.

Ob in der Tierhaltung oder dem Ackerbau: Innerhalb der Branche verstärkt sich das Bild, dass die Politik in Berlin und Brüssel zunehmend von den real existierenden Anforderungen an die Landwirtschaft entkoppelt ist. Die Sorgen von Landwirtinnen und Landwirten sollten ihren Betrieben gelten, ihren Herden und Ernten und nicht den Entscheidungen der Politik. Angesichts dessen, was in den kommenden Monaten agrarpolitisch auf die Landwirtinnen und Landwirte zukommt, sind die aktuellen Niederschläge umso willkommener. Wenn die kommenden Monate so nass wie der Jahresanfang werden, könnte sich die seit 2018 anhaltende Dürre-Situation endlich landesweit entspannen.

Kommentar der Verbandsspitze im Informationsheft 01/2023

Werte Mitglieder, werte Landwirtinnen und Landwirte,
als ich den Januarkommentar des Jahresbeginns 2020 veröffentlichte, da gab es meinerseits einen Verweis auf die goldenen Zwanziger des letzten Jahrhunderts und eine möglicherweise Wiederholung im 21. Jahrhundert. Was aber ist in diesen letzten drei Jahren damals tatsächlich Unvorhersehbares passiert? Wir haben eine Pandemie durchlebt, nach langem Frieden gibt es wieder Krieg in Europa. Die Verfügbarkeit von Energie und vor allem deren Bezahlbarkeit waren vor drei Jahren noch keine aktuellen Themen. Die Zinswende ist eingeleitet und die Inflation hat uns im Griff. Nun gut, wir haben keine Hyperinflation, aber das was wir erleben, reicht ja schon so aus, um tiefe Sorgenfalten zu bekommen. Der Staat, der wir als seine Bürger sind, nimmt ehemals unvorstellbare Schuldensummen auf, die wir als Steuerzahler irgendwann retour zahlen müssen. Wir nehmen monetäre Lasten auf, von denen wir nicht wissen können, wie wir diese künftig schultern sollen. Und als wenn das alles nicht reicht, so sind wir in Anbetracht des Krieges in der Ukraine nicht verteidigungsfähig im Fall der Fälle.
Die genannten Punkte sind keine leichte Kost, aber wir leben in herausfordernden Zeiten. Dafür reicht der Blick in die eigene Agrarbranche. Ja, wir haben in den letzten Monaten erlösseitig von Weltmarktpreisentwicklungen profitiert, aber wir bekommen seit Monaten auch die sämtlichen Lasten bei Energie und Vorprodukten voll zu spüren. Sollten die Erzeugerpreise zurückgehen, so wollen wir darauf setzen, dass die Betriebskosten schneller als die Einnahmen sinken.
Alles in allem sind mit dem letzten Jahr die erforderlichen Managementqualitäten in den Unternehmen nochmal deutlich angestiegen – den Umgang lernt man in keiner landwirtschaftlichen Ausbildung und in keinem Agrarstudium, sondern nur durch schnelles Agieren in der Praxis durch die Anwendung umfänglicher Informationen und Fachwissens. Den richtigen Umgang mit den Märkten muss man sich zügig antrainieren, Fehler sind nicht erlaubt.
Was neben dem richtigen Marktverhalten verstärkter auffällt: Auch eigentlich gut informierte Betriebe können mit dem Übermaß an Agrarbürokratie nicht mehr klarkommen. Am Beispiel der GAP ab 2023 ist das sehr gut festzumachen. Wir haben als Verband seit 2021 in diversen digitalen Veranstaltungen über die Auswirkungen informiert und damit in Teilen den Job der Landesverwaltung übernommen. Aufgrund der Komplexität kommen Betriebe, die täglich an den Informationsquellen dran sind, trotzdem nicht hinterher. Und das ist nur ein Bereich von vielen, neben Fragen zur Düngeverordnung, zum Pflanzenschutz, zur Tierhaltung, neben all den generellen Auflagen. Auch die Landesverwaltung kommt fast nicht mehr nach und kann den Irrsinnswust an widersprüchlicher landwirtschaftlicher Regulatorik kaum mehr überblicken.
Nur was passiert beim Bundesgesetzgeber und dem verantwortlichen Agrarressort? Die Problem­anzeigen werden von allen Ebenen getätigt, aber als Antwort gibt es neue und noch kompliziertere Gesetze und Verordnungen. Bei der GAP ist man dazu verleitet, diese eine bewusste Entförderung der Landwirtschaft zu nennen. Man macht es den Antragstellern so schwer, dass sie irgendwann keine Anträge mehr stellen und damit not­gedrungen auf das Geld verzichten – Ziel erreicht. In Städten nennt man sowas vergleichbar Gentrifizierung und Entmietung, wenn nicht mehr gewünschte Mieter vergrault werden.
Das sich selbst erhaltende politische System macht weiter wie bisher, es wächst personell, installiert systemtreue Führungsebenen einer gleichförmigen Nomenklatura und möchte nach außen vor allem (klein)bäuerliche Betriebe erhalten. Tierhaltung wird vom verantwortlichen Ressort in Berlin aktiv abgebaut, die Kreislaufwirtschaft mit vorhandenen natürlichen Mehrnährstoffdüngern damit in Frage gestellt und Wertschöpfung vernichtet. Man möge sich vorstellen, das zuständige Bauministerium würde sich öffentlich für den Rückbau von Häusern und Siedlungen engagieren, das Verkehrsministerium würde sich für den Rückbau von Verkehrswegen einsetzen. Das wäre die Selbstverzwergung des eigenen Geschäftsbereiches. Diese Bundespolitik hinterlässt viele fachkundige Akteure der Landwirtschaft sprachlos. Man muss mit ansehen, wie eine Regierung Parteiprogramme durchzieht und den ländlichen Raum wirtschaftlich immer mehr politischen Projekten preisgibt.
Es gibt wohlmeinende Stimmen, die behaupten, es fehlt nur Fachwissen auf der anderen Seite. Nur was soll Fachwissen ausrichten, wenn es auf eine politische Agenda trifft? Jüngst haben wir das erlebt, bei den Fragen um die Erlösabschöpfungen bei Biogasanlagen. Das Wort Biogas kommt im Sprachfundus der Regierung nicht mehr vor, wohl weil damit Maisanbau und Tierhaltung verbunden sind – beides will man offensichtlich nicht. Für Anlagenbetreiber ist das nicht nachvollziehbar. Sie produzieren nachhaltig und regional grundlastfähig Strom und Wärme, noch dazu in einem Kreislauf. Aus landwirtschaftlich-fachlicher Perspektive stellt sich überhaupt nicht die Frage, ob Biogas gefördert werden sollte, statt deren Wirtschaftlichkeit politisch zu schwächen.
Trotz dieses komplizierten Jahresauftaktes, der erstmal nicht sehr optimistisch klingt: Wir haben 2022 einiges erreicht! Und wir werden uns auch 2023 dafür einsetzen, dass es gute Lösungen für die Herausforderungen unserer Betriebe und des ländlichen Raumes insgesamt gibt. Aufgeben ist nicht, bleiben wir also dran!
Ihr Marcus Rothbart

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