Kommentar zur Strompreisabschöpfung
Liebe Berufskolleginnen und -kollegen,
das Thema Strompreisabschöpfung hat deutlich gezeigt, dass wir im Bauernverband gemeinsam mit den befreundeten Verbänden sehr wohl in der Lage sind, politische Entscheidungen zu beeinflussen, entgegen dem Eindruck einiger Berufskollegen.
Die von Minister Habeck vorgeschlagene Abschöpfung der „Übergewinne“ (die in Wirklichkeit eine Abschöpfung der Stromerlöse ist), war von Anfang an eine sehr fragwürdige Idee. Die Abschöpfung sollte rückwirkend in bestehende und teilweise schon belieferte Verträge eingreifen, ohne Rücksichtnahme auf die sich verändernde Kostenentwicklung. Zudem hatte man wohl im Bundeswirtschaftsministerium nicht erkannt, dass es einen gravierenden Unterschied zwischen dem Abschöpfen von Umsätzen und Gewinnen gibt. Obwohl es inhaltlich ausschließlich um Rückforderung von Umsatzerlösen ging, sprachen die Vertreter des BMWK in der Öffentlichkeit weiterhin von der „Gewinnabschöpfung“.
Im Bauernverband waren wir seit dem 13.09.2022 zu diesem Thema aktiv – zu diesem Zeitpunkt hatte die EU erstmals einen Erzeugerstrompreisdeckel von 20 Cent erwähnt, allerdings war Biogas dort als eine der Branchen benannt, die davon ausgenommen werden können. Darüber, wer nun genau für die Einzelheiten der deutschen Umsetzung und vor allem dafür verantwortlich war, dass Biogas zunächst nicht von der Abschöpfung ausgenommen war, werden wir wohl erst später oder vielleicht nie Klarheit erlangen: War es Finanzminister Lindner, mit seiner panischen Angst vor dem Wort Steuererhöhung? Hoffte Umweltministerin Lemke in ihrer Abneigung gegen die Energiepflanzen, über die Abschöpfung den ungeliebten Maisanbau gleich ganz zu beseitigen? Oder war es wirklich die Unwissenheit im Bundeswirtschaftsministerium (BMWK)? Die Antwort auf einen offenen Brief an das BMWK vom 21.10. lässt vermuten, dass man dort inhaltlich nicht ganz so sattelfest war. Und die Telefonhotline der dafür zuständigen Abteilung „Bürgerdialog“ war im November abgeschaltet.
Es blieben uns aber eine Vielzahl weiterer Maßnahmen, die genutzt wurden: Viele Anlagenbetreiber luden Bundestagsabgeordnete zu sich ein, der Bauernverband Nordharz organisierte eine Videokonferenzen mit einigen Abgeordneten aus Sachsen-Anhalt. Sowohl die Landesverbände als auch der DBV veröffentlichten eine Vielzahl von Kurzvideos von Anlagenbetreibern unter der Überschrift „Bioenergie-statt-Kohle“. Im Austausch mit dem Energieministerium in Magdeburg haben wir mehrfach auf die katastrophalen Folgen der Abschöpfung für den Biogassektor hingewiesen. Selbst die IHK in Halle kämpfte dieses Mal nicht nur für die chemische Industrie. Es gab Demonstrationen vor dem Bundestag in Berlin sowie in Goslar.
Am Ende hatten wir wohl ausreichend Unterstützer gefunden, in fast allen Parteien des Bundestages, so dass durch die im Gesetzgebungsprozess beschlossenen Ausnahmeregelungen (Abschöpfung erst ab 1 MW Bemessungsleistung, getrennte Anrechnung Sat-BHKW) alle landwirtschaftlichen Biogasanlagen nicht mehr davon betroffen sind. Man muss aber auch daran erinnern, dass es – wäre diese Entscheidung nicht so gekommen – wohl zu schmerzhaften Folgen für das deutsche Energiesystem geführt hätte. Viele Anlagenbetreiber hatten schon angekündigt, dass sie im Falle der Umsetzung der Abschöpfung die Anlagen kurzfristig ganz abstellen würden: Niemand betreibt eine Anlage weiter, bei der die Erlöse geringer als die Kosten sind. Dann hätten in den kalten Tagen Mitte Dezember bis zu 10% der Strommengen gefehlt und in vielen Dörfern hätte man ohne die günstige Biogasnahwärme auskommen müssen.
Trotz des Erfolges, es verbleibt ein fader Nachgeschmack: Das Vertrauen in die Stabilität der Politik schwindet immer weiter. Erst werden über Jahre immer neue Anforderungen (Umwallung, Nox-Logger, SCR-Kat) für die Biogasanlagen beschlossen, ohne dass man nach der Finanzierbarkeit fragt; 2014 führt man eine Absenkung der zulässigen Leistung („Höchstbemessungsleistung“) ein und 2022 denkt man öffentlich darüber nach, ob man nicht auch noch die Erlöse abschöpfen könnte. Zusätzlich wird von den Grünen nach dem anfänglichen Hype in den 2000er Jahren der Energiepflanzenanbau zunehmend in Frage gestellt. Stabile Rahmenbedingungen stelle zumindest ich mir anders vor.
Die Energiewende soll trotz der Konzentration auf die billigen, aber volatilen Energieträger Wind und Sonne technisch funktionieren. Das wird aber nur möglich sein, wenn man alle erneuerbaren Optionen für regelbare, speicher- und spitzenlastfähige Erzeuger weiterentwickelt. Dafür erwartet die Energiepolitik, dass die Biogasanlagen nochmals beträchtliche Gelder in die Flexibilisierung investieren. Das wäre auch der einzig richtige Weg, aber wer kann sich noch darauf verlassen, dass die heutigen Zusagen auch in fünf oder zehn Jahren noch gelten?
Nun sind wir in einem neuen Jahr. Die Zeichen am Energiemarkt zeigen deutlich nach unten – Biogasanlagen werden vermutlich das gesamte Jahr wieder über das EEG vergütet werden. Wir müssen uns deshalb weiterhin bemühen, gemeinsam mit der Politik die Rahmenbedingungen für den Ausbau der Energieerzeugung im ländlichen Raum unter Einschluss der Biogasanlagen auskömmlich zu gestalten. In der Hoffnung, dass uns dies gelingt, verbleibe ich mit den besten Wünschen für das Jahr 2023.
Ihr
Thorsten Breitschuh
Vorsitzender des NAROSSA e. V.
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