Kommentar der Verbandsspitze im Informationsheft 05/2023

Werte Mitglieder,
werte Landwirtinnen und Landwirte,

taucht man in die politische Diskussion ein, so begegnen dem interessierten Bürger immer mehr wachstumskritische Stimmen, die augenscheinlich die mediale Oberhand gewinnen. Wachstum wird als etwas Negatives angesehen, Nullwachstum der Wirtschaft als erstrebenswertes Ziel proklamiert. Paradoxerweise gehören solche Stimmen oft Interessensgruppen, die seit Jahren strukturell, personell und wirtschaftlich wachsen. In einer Zeit, in der bundesweit eine schleichende Deindustrialisierung mit ihren negativen Folgen voranschreitet, sind solche Forderungen ein Anachronismus und Ausdruck einer eingeschränkten Sicht auf Wirtschaft, Kapitalismus und globale Wertschöpfungsketten. Eine funktionierende, wachsende soziale Marktwirtschaft unter Ausnutzung komparativer Kostenvorteile sorgt erst für die Möglichkeiten der intensiven materiellen Umverteilung und damit die Unterstützung derer, die solcher Hilfen bedürfen.

Es ist nichts dagegen zu sagen, wenn Bürger wirtschaftlich enthaltsam leben wollen. Problematisch ist hingegen eine politische Entwicklung, wenn die gesamte Welt diesem Weg nachfolgen soll. Wäre das ein vorteilhafter Weg für die Mehrheit, dann ginge das über Anreize und Motivation, nicht über mehr Staat, Kontrolle, Ordnungsrecht bis hin zu Denunziationsportalen.
Große Auswirkungen auf unser Zusammenleben in der Gesellschaft hat die Deutungshoheit von Begriffen. Was genau gemeint ist, mit scheinbar allgemein bekannten Begriffen, ist im Detail oft unklar. Eine kleine Auswahl nicht vielfältig ausdeklinierter, verwendeter Begriffe: Klimakrise, Nachhaltigkeit, Gemeinwohlprämie, Transformation, Ernährungswende, Moorschutz, Degrowth, Mobilitäts­wende, Agrarwende, Stilllegungsflächen als Bio­diversitätsflächen, Bürgerräte, zukunftsfeste Landwirtschaft, öko-soziale Marktwirtschaft und zum guten Abschluss Wärmewende.

Wir begeben uns auf einen Pfad der politischen Einseitigkeit, wenn wir nicht öffentlich und sauber klären, was mit welchem Begriff gemeint ist und welcher Partner was wie deutet. Unreflektiert Begriffe in den politischen Sprachgebrauch zu übernehmen, die irgendwann Allgemeingut werden, wird uns kurzfristig auf die Füße fallen. Da mögen sie noch so charmant und mit Wohlfühlcharakter daherkommen, die dahinterliegende gewünschte Politikausrichtung ist entscheidend.

Nicht wenige Bürger haben die Wahrnehmung, dass es mit der guten alten liberalen Zeit vorbei geht und wir nun auch in sehr schwierigen wirtschaftlichen Fahrwassern ankommen. Notwendig wäre das Aufbauen eines Sicherheitsgefühls, das durch verantwortungsvolle Politik zu organisieren ist. Stattdessen gewinnen Parteiprogramme die Oberhand, und Bürger werden immer mehr verunsichert durch beinahe täglich neue Ideen. Sie nehmen wahr, dass ihre eigene wirtschaftliche Zukunft auf dem Spiel stehen kann, weil politische Projekte auf der Grundlage von Partei­programmen ab­ge­­arbeitet werden – auf Gedeih und Verderb.

Lesen bildet, möchte man zurufen. Nur wer interessiert sich schon für das, was Parteitage inhaltlich beschlossen haben? Vielen ist nicht mehr transparent, aus welchen Gründen diese oder jene Inhalte in Parteiprogramme aufgenommen werden. Es bleibt somit oft bei politischen Erklärungen, die für den Polit-Laien nicht nachvollziehbar sind. Dazu tragen maßgeblich die bereits genannten, unklaren Begriffe bei. Bürger mit wahrer Wendeerfahrung fühlen sich gegenwärtig an die finale Phase der DDR erinnert, und das ist eine gefährliche Erkenntnis. In der Folge wenden sich Bürger von der Politik ab, schlimmstenfalls radikalisieren sie sich. Wobei sogar das ein zu definierender Begriff ist.

Wenn von Klimaklebern Straßen blockiert werden, wird dies medial mehrheitlich goutiert, das plakative Anliegen ist schließlich eine Verkehrswende, eine „nachhaltige Transformation“. Wie diese funktionieren und von allen Bürgen akzeptiert – geschweige denn finanziert – werden soll, bleibt unklar. Ebenso verhält es sich mit den meisten Forderungen an die Landwirtschaft. Eine Agrarwende lässt sich leicht fordern, wenn man fachliche Machbarkeiten und wirtschaftliche Zwänge unter den Worthülsen „zukunftsfest“ und „öko-sozial“ vermeintlich erledigt.

Wir müssen uns als landwirtschaftlicher Sektor mehr mit politischem Sprachgebrauch und Schlagworten befassen, auch wenn sie im Tagesgeschäft auf den Betrieben scheinbar kaum relevant sind. Ignorieren und abtun, als seltsame Ideen oder Wortkreationen anderer gesellschaftlicher Gruppen, gelingt nicht. Es lohnt sich, die eigene Blase zu verlassen und über Visionen und Worte zu streiten, denn die Auswirkungen sind sehr real.

Marcus Rothbart
Hauptgeschäftsführer

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Veranstaltung zur Betriebsübergabe im Juni

Die Übergabe eines landwirtschaftlichen Unternehmens erfordert eine langfristige und vielschichtige Vorbereitung. Der Prozess ist sehr komplex und hat je nach Betriebsstruktur und Übergabeart verschiedene Rechtsbereiche gesondert zu berücksichtigen.Die 2022 durchgeführte Veranstaltung zur Betriebsübergabe wurde mit guter Resonanz angenommen, so dass wir in diesem Jahr das Thema weiterführen werden. Zur Information und Sensibilisierung bieten wir gemeinsam mit kompetenten Referenten eine Vortragsveranstaltung an, die sich dieser Thematik annimmt. Die Veranstaltung ist so konzipiert, dass Zeit für persönlichen Austausch mit den Referenten vorgesehen ist.

Weitere Informationen und den Anmeldeweg finden Sie HIER.

Achtung! Begrenzte Platzkapazität, Teilnahme ausschließlich nach verbindlicher schriftlicher Anmeldung.

 

Sozialwahl 2023 – Kandidatinnen und Kandidaten der Liste 8 stellen sich vor

Kommentar der Verbandsspitze im Informationsheft 04/2023

Werte Mitglieder, liebe Bäuerinnen und Bauern,

die jüngste Vergangenheit brachte uns eine deutliche Entspannung der pandemischen Lage und sogar eine gewisse Beruhigung der Märkte. In vielen Regionen unseres Landes gab es vorerst ausreichend Niederschläge, die für die Entwicklung auf den Wiesen, Weiden und Äckern dringend nötig sind.

In anderen Bereichen blicken wir hingegen auf eine zunehmende Anspannung.  Mit Beginn des Frühjahrs hat unser Verband viele Presseanfragen erhalten, die sich auf den Anbau von Sonderkulturen und die Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns bezogen. Es kam dabei die Frage, ob durch den höheren Mindestlohn die Saisonarbeit in Deutschland attraktiver würde. Die landwirtschaftliche Rechnung ist relativ einfach. Betriebe müssen bei ihrer Planung prognostizieren, ob sie mit bestimmten Kulturen ein positives Betriebsergebnis erzielen können. Konkret bedeutet das: Kann mein Betrieb Geld verdienen, wenn ich Weizen, Kartoffeln oder Spargel anbaue? Bei manchen Kulturen, besonders im Obst- und Gemüseanbau, sind die Arbeits- und Lohnnebenkosten ein großer Faktor. Die Erhöhung des Mindestlohns steigert die Kosten und das Risiko verstärkt sich, selbst bei einer guten Ernte ein negatives Ergebnis zu erzielen, da höhere Ausgaben nicht automatisch zu höheren Einnahmen im Verkauf führen.

Durch den offenen europäischen Markt können Verarbeiter und der Lebensmitteleinzelhandel auch Waren aus dem Ausland kaufen, beispielsweise aus Polen und Südeuropa. Der Preis am Markt entsteht durch das günstigste Angebot und nicht durch die höchsten Standards. Der erhöhte Mindestlohn bewirkt, dass sich arbeitsintensive Landwirtschaft, wie der Obst- und Gemüseanbau, in andere europäische Regionen verlagert. In Ländern wie Spanien und Griechenland kann wegen niedrigerer Löhne und Sozialstandards deutlich billiger produziert werden.

Die Verlagerung von landwirtschaftlicher Erzeugung sehen wir bei der Schweinehaltung bereits in gravierendem Ausmaß. Schweinehalterinnen und -halter haben keine ausreichende wirtschaftliche Perspektive für ihren Betrieb. Das hat maßgeblich mit politischen Entwicklungen zu tun. Vor wenigen Jahren hat das „Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung“ ein umfassendes Konzept entwickelt, wie die Zukunft der Tierhaltung in Deutschland aussehen kann. Dies umfasste unter anderem, wie eine solche finanziert werden könnte. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft bekennt sich fortlaufend und öffentlich zum Umbau der Tierhaltung, jedoch stehen dafür weder die Finanzmittel bereit noch sind dringend nötige Änderungen im Baurecht vorgenommen worden.

Dadurch befinden sich Betriebe mit Sauen, Ferkeln oder Mastschweinen in der Situation, dass von ihnen einerseits Veränderung gefordert wird, Stichwort Tierwohl, andererseits aber keine wirtschaftliche Perspektive besteht und rechtliche Vorgaben mögliche Investitionen in der Praxis unmöglich machen. Die Tierhaltung, die in Deutschland abgebaut wird, verschwindet jedoch nicht. In anderen Ländern werden die Kapazitäten ausgebaut, beispielsweise in Spanien.

Ein drittes Thema, das ich kurz ansprechen möchte, ist der SuedOstLink. Es ist in der Bundesrepublik seit Jahrzehnten eine bewährte Praxis, Rahmenverträge zwischen den landwirtschaftlichen berufsständischen Vertretungen und den Vorhabenträgern überregional bedeutsamer Leitungsbauvorhaben abzuschließen. Mit den Rahmenverträgen wird den vom Vorhaben betroffenen Grundstückseigentümern empfohlen, zu den darin vereinbarten Konditionen individuelle Verträge abzuschließen. Der Vorteil für die Grundstückseigentümer besteht in der Gewissheit, mit dem Rahmenvertrag ein Angebot unterbreitet zu bekommen, das ihre Interessen berücksichtigt und marktüblich ist. Rahmenverträge sind beidseitig faire Lösungen und werden deshalb bei fast allen Projekten dieser Art geschlossen. Eine bedauerliche Ausnahme ist das in den neuen Bundesländern tätige Unternehmen 50Hertz Transmission GmbH. Es kündigte seit Beginn an, mit den in seinem Unternehmensgebiet tätigen Bauernverbänden keinen Rahmenvertrag abschließen zu wollen.

Was die genannten Themen verbindet: Es fehlt in vielen Bereichen an fairen Lösungen, ob im europäischen Binnenmarkt, bei Zielkonflikten von Tierwohl, Bau- und Emissionsrecht oder beim Ausbau Erneuerbarer Energien und deren Infrastruktur. Die Landwirtinnen und Landwirte sind für Entwicklungen offen, wenn höhere Standards oder die Energiewende-Politik nicht nur Nachteile mit sich bringen oder sogar die wirtschaftliche Existenz der Betriebe gefährden.

Hier muss insbesondere die Bundesregierung ansetzen: Wenn einerseits fortwährend der Rückgang der Zahl landwirtschaftlicher Betriebe bedauert wird, andererseits aber die Auflagen immer weiter steigen, sorgt das bei Landwirtinnen und Landwirten für Verärgerung. Faire Rahmenbedingungen zu gestalten, in denen die Vielfalt der landwirtschaftlichen Betriebe einen Platz hat, muss agrarpolitisch das oberste Ziel sein. Gleiches gilt für Großprojekte wie den SuedOstLink: Die Grundeigentümer und Landwirte tragen solche Veränderungen nur mit, wenn es einen fairen und transparenten Ausgleich gibt.

Olaf Feuerborn
Präsident

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Jubiläum der Fachschule in Haldensleben

Vor kurzem feierte die Fachschule, die an die Landesanstalt für Landwirtschaft und Gartenbau angegliedert ist, ein besonderes Jubiläum: 30 Jahre Internationaler Jugendaustausch mit dem Schweizer „Strickhof“, einem großen Kompetenzzentrum für landwirtschaftliche Ausbildung im Kanton Zürich. Aus diesem Anlass feierte man ein großes Fest mit 150 Gästen. Seit 1993 fahren Schüler und Lehrer alljährlich von der Schweiz nach Haldensleben und umgekehrt um landwirtschaftliche Lehre und Praxis kennenzulernen. Einmal im Jahr kommen zwei Gruppen zu je 40 Agrarschülern vom Strickhof hierher und genauso fahren deutsche Fachschüler in die Schweiz mit ihrer viel kleinteiligeren Landwirtschaft. Aus diesen zwei sehr unterschiedlichen Agrarstrukturen können die Betrachter viele Anregungen mitnehmen.

Generationen von Landwirten absolvierten bereits an der Fachschule für Landwirtschaft in Haldensleben (früher Landwirtschaftsschule oder Agraringenieurschule) ihre Ausbildung und leiten oder leiteten landwirtschaftliche Betriebe in der Region oder wo sie das Leben hintrug.

Aus ganz Sachsen-Anhalt und der Umgebung kamen und kommen immer noch vorrangig Landwirte, Tierwirte oder Fachkräfte für Agrarservice, um hier ihre Fortbildung zum staatlich geprüften Wirtschafter oder zum Agrarbetriebswirt, jeweils auch mit dem Schwerpunkt Ökologischer Landbau, zu absolvieren. Voll- oder Teilzeit, mit oder ohne Wohnheimunterbringung, alles ist möglich, auch die Prüfungsvorbereitung zum Landwirtschaftsmeister. Im Lehrgang zum Agrarbetriebswirt kann man zudem die Ausbildereignungsprüfung ablegen. Die Klassenstärke liegt bei durchschnittlich 15 Schülern. Gute Bedingungen also, um im Herzen der Bördestadt Haldensleben, in historischen Mauern am Marienkirchplatz, in der Außenstelle in der Bornschen Straße eine Fortbildung in Präsenz oder auch online zu absolvieren. Alle Qualifizierungen befähigen am Ende die Fachschüler einen landwirtschaftlichen Betrieb zu führen.

Die Leiterin der Fachschule, Andrea Fritzsche, und ihre Vertreterin, Anne Neuschrank, sind zwei der zehn Lehrer des Institutes. Außer ihnen arbeiten noch drei Angestellte in der Verwaltung. Andrea Fritzsche, Agrarpädagogin mit Referendariat, die die Schule seit 2019 leitet, ist froh über die kleinen Klassen, weil man hier „auf Augenhöhe unterrichtet“, wie sie sagt. „Die Schüler sind von 20 bis 50 Jahre alt und die Fragestellungen, die sie einbringen sind praxisbezogen. Schüler und Lehrer sind gleichermaßen im Agrarbereich verwurzelt.“ Die Chefin, selbst Lehrerin für Tierproduktion und Deutsch, ist auch froh, dass es nun wieder viel mehr Unterricht in Präsenz gibt, denn die kognitiven Fähigkeiten würden im Präsenzunterricht viel mehr unterstützt als beim digitalen Lernen.

Neuer Lehrgang startet im September

Anne Neuschrank ist an der Landwirtschaftsschule zwar Seiteneinsteigerin mit Referendariat aber im Ackerbaubetrieb der Familie verwurzelt. Sie hat Agrarwissenschaften studiert und ist seit 2017 Lehrer für Betriebswirtschaft. Die junge Lehrerin erklärt den neuen Lehrgang zur Qualifizierung von Nebenerwerbslandwirten, den die Fachschule vom 1. September 2023 bis zum 1.Mai 2024 anbieten wird. Diese Ausbildung ist noch in der Genehmigungsphase: In den neuen EU-Regelungen zur Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) stellt die „ergänzende Einkommensstützung für Junglandwirte“ einen beachtlichen Geldwert dar, der über die nächsten fünf Jahre gezahlt wird. Dafür muss der Junglandwirt bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Eine gute Möglichkeit bietet dafür der 300-Stunden-Lehrgang, den die Fachschule für Landwirtschaft Haldensleben ab September anbietet. Anmeldungen für den Lehrgang sind bis zum 30. Juni 2023 an der Fachschule möglich.

Links:

Internetseite der Fachschule Haldensleben

Verein der landwirtschaftlichen Fachschule

Strickhof in der Schweiz

Text und Bilder von Barbara Ilse (Bauernverband Börde)

Medientraining

„Meine Position erfolgreich auf den Punkt bringen“

Der Bauernverband Sachsen-Anhalt e.V. bietet vom 31. März bis zum 1. April diesen Jahres ein Medien-Training mit der Andreas-Hermes-Akademie an. Das Medien-Training „Meine Position erfolgreich auf den Punkt bringen“ dient zur sicheren Kommunikation landwirtschaftlicher Themen, wobei Methoden sowie Tipps und Tricks zur besseren Platzierung der Botschaft erarbeitet werden. Zudem werden Situationen erprobt, um sich von kritischen Fragen oder verbalen Angriffen nicht aus der Ruhe bringen zu lassen.

Wenn Sie Fragen haben, wenden Sie sich gerne an unsere Bildungsreferentin Henriette Krause. Kontaktdaten finden Sie unter „Mitarbeiter“.

 

Kommentar zur Strompreisabschöpfung

Liebe Berufskolleginnen und -kollegen,
das Thema Strompreisabschöpfung hat deutlich gezeigt, dass wir im Bauernverband gemeinsam mit den befreundeten Verbänden sehr wohl in der Lage sind, politische Entscheidungen zu beeinflussen, entgegen dem Eindruck einiger Berufskollegen.
Die von Minister Habeck vorgeschlagene Abschöpfung der „Übergewinne“ (die in Wirklichkeit eine Abschöpfung der Stromerlöse ist), war von Anfang an eine sehr fragwürdige Idee. Die Abschöpfung sollte rückwirkend in bestehende und teilweise schon belieferte Verträge eingreifen, ohne Rücksichtnahme auf die sich verändernde Kostenentwicklung. Zudem hatte man wohl im Bundeswirtschaftsministerium nicht erkannt, dass es einen gravierenden Unterschied zwischen dem Abschöpfen von Umsätzen und Gewinnen gibt. Obwohl es inhaltlich ausschließlich um Rückforderung von Umsatzerlösen ging, sprachen die Vertreter des BMWK in der Öffentlichkeit weiterhin von der „Gewinnabschöpfung“.
Im Bauernverband waren wir seit dem 13.09.2022 zu diesem Thema aktiv – zu diesem Zeitpunkt hatte die EU erstmals einen Erzeugerstrompreisdeckel von 20 Cent erwähnt, allerdings war Biogas dort als eine der Branchen benannt, die davon ausgenommen werden können. Darüber, wer nun genau für die Einzelheiten der deutschen Umsetzung und vor allem dafür verantwortlich war, dass Biogas zunächst nicht von der Abschöpfung ausgenommen war, werden wir wohl erst später oder vielleicht nie Klarheit erlangen: War es Finanzminister Lindner, mit seiner panischen Angst vor dem Wort Steuererhöhung? Hoffte Umweltministerin Lemke in ihrer Abneigung gegen die Energiepflanzen, über die Abschöpfung den ungeliebten Maisanbau gleich ganz zu beseitigen? Oder war es wirklich die Unwissenheit im Bundeswirtschaftsministerium (BMWK)? Die Antwort auf einen offenen Brief an das BMWK vom 21.10. lässt vermuten, dass man dort inhaltlich nicht ganz so sattelfest war. Und die Telefonhotline der dafür zuständigen Abteilung „Bürgerdialog“ war im November abgeschaltet.
Es blieben uns aber eine Vielzahl weiterer Maßnahmen, die genutzt wurden: Viele Anlagenbetreiber luden Bundestagsabgeordnete zu sich ein, der Bauernverband Nordharz organisierte eine Videokonferenzen mit einigen Abgeordneten aus Sachsen-Anhalt. Sowohl die Landesverbände als auch der DBV veröffentlichten eine Vielzahl von Kurzvideos von Anlagenbetreibern unter der Überschrift „Bioenergie-statt-Kohle“. Im Austausch mit dem Energieministerium in Magdeburg haben wir mehrfach auf die katastrophalen Folgen der Abschöpfung für den Biogassektor hingewiesen. Selbst die IHK in Halle kämpfte dieses Mal nicht nur für die chemische Industrie. Es gab Demonstrationen vor dem Bundestag in Berlin sowie in Goslar.
Am Ende hatten wir wohl ausreichend Unterstützer gefunden, in fast allen Parteien des Bundestages, so dass durch die im Gesetzgebungsprozess beschlossenen Ausnahmeregelungen (Abschöpfung erst ab 1 MW Bemessungsleistung, getrennte Anrechnung Sat-BHKW) alle landwirtschaftlichen Biogasanlagen nicht mehr davon betroffen sind. Man muss aber auch daran erinnern, dass es – wäre diese Entscheidung nicht so gekommen – wohl zu schmerzhaften Folgen für das deutsche Energie­system geführt hätte. Viele Anlagen­betreiber hatten schon ange­kündigt, dass sie im Falle der Umsetzung der Ab­schöpfung die Anlagen kurz­fristig ganz abstellen würden: Niemand betreibt eine Anlage weiter, bei der die Erlöse geringer als die Kosten sind. Dann hätten in den kalten Tagen Mitte Dezember bis zu 10% der Strommengen gefehlt und in vielen Dörfern hätte man ohne die günstige Biogasnahwärme auskommen müssen.
Trotz des Erfolges, es verbleibt ein fader Nach­geschmack: Das Vertrauen in die Stabilität der Politik schwindet immer weiter. Erst werden über Jahre immer neue Anforderungen (Umwallung, Nox-Logger, SCR-Kat) für die Biogasanlagen beschlossen, ohne dass man nach der Finanzierbarkeit fragt; 2014 führt man eine Absenkung der zulässigen Leistung („Höchstbemessungsleistung“) ein und 2022 denkt man öffentlich darüber nach, ob man nicht auch noch die Erlöse abschöpfen könnte. Zusätzlich wird von den Grünen nach dem anfänglichen Hype in den 2000er Jahren der Energiepflanzenanbau zunehmend in Frage gestellt. Stabile Rahmenbedingungen stelle zumindest ich mir anders vor.
Die Energiewende soll trotz der Konzentration auf die billigen, aber volatilen Energieträger Wind und Sonne technisch funktionieren. Das wird aber nur möglich sein, wenn man alle erneuerbaren Optionen für regelbare, speicher- und spitzenlastfähige Erzeuger weiterentwickelt. Dafür erwartet die Energiepolitik, dass die Biogasanlagen nochmals beträchtliche Gelder in die Flexibilisierung investieren. Das wäre auch der einzig richtige Weg, aber wer kann sich noch darauf verlassen, dass die heutigen Zusagen auch in fünf oder zehn Jahren noch gelten?
Nun sind wir in einem neuen Jahr. Die Zeichen am Energiemarkt zeigen deutlich nach unten – Biogasanlagen werden vermutlich das gesamte Jahr wieder über das EEG vergütet werden. Wir müssen uns deshalb weiterhin bemühen, gemeinsam mit der Politik die Rahmenbedingungen für den Ausbau der Energieerzeugung im ländlichen Raum unter Einschluss der Biogasanlagen auskömmlich zu gestalten. In der Hoffnung, dass uns dies gelingt, verbleibe ich mit den besten Wünschen für das Jahr 2023.
Ihr
Thorsten Breitschuh
Vorsitzender des NAROSSA e. V.

Blick ins Heft:

Pressekonferenz zum Jahresauftakt

Jahresauftakt-Pressekonferenz des Bauernverbandes Sachsen-Anhalt e.V.

Am Dienstag (17.01.2023) erläuterte der Bauernverband Sachsen-Anhalt e.V. in einer Pressekonferenz, welche Themen die Landwirte in Sachsen-Anhalt 2023 bewegen werden. Themen waren unter anderem die Zukunft der Tierhaltung und politische Entwicklungen im Ackerbau.

 

Viele tierhaltende Betriebe in Sachsen-Anhalt schauen mit großer Skepsis auf den geplanten Umbau der Tierhaltung in Deutschland. Die politischen Vorhaben der Bundesregierung sollen mit einer Milliarde Euro über die kommenden Jahre gefördert werden. Bei mehreren Milliarden Euro pro Jahr liegt hingegen der von einem unparteiischen Expertengremium berechnete Bedarf (Borchert-Kommission). Die Tierhalterinnen und Tierhalter befürchten, dass sie die Mehrkosten der neuen Gesetze tragen sollen. Demgegenüber hat sich das Kaufverhalten in Deutschland wieder deutlich mehr nach dem Preis ausgerichtet – zum Nachteil der Betriebe, die heute in höheren Haltungsstufen produzieren.

Dazu erklärt Olaf Feuerborn: „Durch scheinbare Lösungen wie die unfertige Tierwohlkennzeichnung möchte das Bundesagrarministerium den Eindruck erwecken, dass es unseren Landwirtschaftsbetrieben eine Zukunft gewährt. Was Landwirtinnen und Landwirte brauchen, ist eine wirtschaftliche Perspektive. Stattdessen bekommen wir immer mehr Auflagen und sollen politische Visionen umsetzen, die vom Kunden nicht gekauft werden und teilweise nicht umsetzbar sind. Das ist kein Umbau der Landwirtschaft, das ist ein Abbau der Landwirtschaft.“

Auch die Ackerbauern in Sachsen-Anhalt sehen den agrarpolitischen Entwicklungen 2023 wenig optimistisch entgegen. Ein fundamentaler Grund dafür ist die „Verordnung über den nachhaltigen Einsatz von Pflanzenschutzmitteln“ (engl.: Sustainable Use Regulation = SUR). Der Entwurf der EU-Kommission sieht viele neue Auflagen und bürokratische Hürden für Landwirte vor. Zusätzlich zu bereits bestehenden Vorgaben und Dokumentationspflichten soll es beispielsweise umfassende Prüfkataloge für jegliche Anwendungen zum Pflanzenschutz geben. Dabei müssen Landwirte bereits, um Pflanzenschutzmittel einsetzen zu dürfen, eine Qualifikation nachweisen und regelmäßig an Schulungen teilnehmen. Für die Praktiker drängt sich der Eindruck auf, dass die Politik vorsätzlich so hohe bürokratische Hürden aufbauen will, dass diese in der Praxis nicht mehr überschaubar sind.

Ob in der Tierhaltung oder dem Ackerbau: Innerhalb der Branche verstärkt sich das Bild, dass die Politik in Berlin und Brüssel zunehmend von den real existierenden Anforderungen an die Landwirtschaft entkoppelt ist. Die Sorgen von Landwirtinnen und Landwirten sollten ihren Betrieben gelten, ihren Herden und Ernten und nicht den Entscheidungen der Politik. Angesichts dessen, was in den kommenden Monaten agrarpolitisch auf die Landwirtinnen und Landwirte zukommt, sind die aktuellen Niederschläge umso willkommener. Wenn die kommenden Monate so nass wie der Jahresanfang werden, könnte sich die seit 2018 anhaltende Dürre-Situation endlich landesweit entspannen.