Werte Mitglieder,
liebe Bäuerinnen und Bauern,
viele Beteiligte der Agrarministerkonferenz waren im März überrascht, als das BMEL ein Paket zur Tierhaltung ankündigte. Darin enthalten sein sollten unter anderem der Entwurf zu einem Tierhaltungskennzeichnungsgesetz sowie ein Förderprogramm des Bundes, Vorschläge des Kompetenznetzwerks Nutztierhaltung würden dabei berücksichtigt. Wie dies genau aussehen soll, was die Inhalte sind, dazu hatte sich Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir noch nicht äußern wollen. Eine Sonder-Agrarministerkonferenz sollte Antworten auf die vielen offenen Fragen liefern. Diese Sonder-AMK fand im Mai statt.
Die Bauernverbände hatten im Vorfeld nochmals deutlich gemacht: Es braucht praxistaugliche Wege für die vielfältigen Betriebsformen und -größen, für den Um- oder Neubau von Ställen, die Zielkonflikte von Emissionsschutz und Tierwohl müssen angegangen werden – um nur ein paar Beispiele zu nennen. Es war bisher seitens des Bundes nicht gelungen, ein tragfähiges Konzept für die Tierhalter zu entwickeln, das in der Praxis die Möglichkeit des Umbaus in Richtung höherer Tierwohlstandards ermöglicht.
Und leider hat die Sonder-AMK daran nichts geändert. Durch das Bundeslandwirtschaftsministerium wurde wieder viel angekündigt, aber Projekte wie die unfertige Tierwohlkennzeichnung bringen den Tierhalterinnen und Tierhaltern nichts. Was diese wirklich bräuchten, wäre eine ehrliche, politische Perspektive, weniger Bürokratie und eine umgehende Überarbeitung und Harmonisierung des Baurechtes. An diesen Punkten wird maßgeblich entschieden, wie sich die Tierhaltung in den kommenden Jahren entwickeln kann. Die Ernüchterung nach der Sonder-AMK ist umso größer, weil das BMEL im Vorfeld immer den nächsten großen Schritt verspricht, ihn aber dann nicht geht. Gerade weil die Berliner Landwirtschafts- und Umweltministerien zumindest nach außen so reibungslos miteinander arbeiten, sollte man erwarten dürfen, dass dort Ergebnisse zustande kommen.
Vonseiten der beteiligten Häuser hoch gelobt wurde zuletzt die Einigung auf eine einheitliche Anwendung der TA Luft. Dies ist ein Baustein, der wichtig ist, aber noch lange keine Lösung. In allen relevanten Bereichen braucht es praxistaugliche Konzepte und teils grundsätzliche Überarbeitungen – beispielsweise bei der TA Luft selbst. Es besteht Eile, da es wichtig ist zu verhindern, dass die Tierhaltung weiter ins Ausland verlagert wird, wo die Tiere unter niedrigeren Standards gehalten werden. Hinsichtlich der Faktoren Selbstversorgung und Emissionen ist das politisch unverantwortlich.
Dass die Bundesregierung beim Thema Tierhaltung nicht vom Reden ins Machen kommt, ist unter anderem darin begründet, dass sie in der eigenen Perspektive festhängt. Sie hat ein Bild vor Augen, wie die Landwirtschaft in zehn Jahren idealtypisch aussehen soll. Dabei wird zu wenig beachtet, wie sich die aktuelle Situation tatsächlich darstellt. Genau das ist aber die Perspektive der Landwirtinnen und Landwirte, die ein Unternehmen führen.
Was außerhalb unserer Branche gerne ausgeblendet wird, wohl weil es nicht in die idealisierte Wunschvorstellung passt: Wir Landwirte müssen und wollen mit unserer Arbeit Geld verdienen, unabhängig ob Ackerbau oder Tierhaltung, konventionell oder ökologisch. Das ist langfristig nur möglich, wenn die gesetzlichen Rahmenbedingungen es zulassen. Ebenso wichtig ist, dass der Betrieb am Markt einen Platz findet. Landwirte müssen die Lebensmittel und Waren erzeugen, für die ihre Mitmenschen Geld ausgeben. Gleiches gilt für Dienstleistungen, die wir in unseren Unternehmen erbringen.
Diese Prämisse wird im Kurs des Bundeslandwirtschaftsministers nicht berücksichtigt. Es wird versucht Stück für Stück ein Konzept umzusetzen, das beispielsweise davon ausgeht, dass unsere Mitmenschen in Zukunft ein deutlich gewandeltes Kauf- und Konsumverhalten haben. Die meisten Mitmenschen wollen oder können aber keine teureren Lebensmittel kaufen. Das mag in zehn Jahren anders aussehen, dann werden sich die landwirtschaftlichen Unternehmen darauf einrichten – wenn dafür die rechtlich-wirtschaftlichen Rahmenbedingungen stimmen.
Dafür braucht es eine langfristige Perspektive, die wirtschaftliche Gestaltungsmöglichkeiten für die Vielfalt unserer Unternehmen umfasst, mit einem verlässlichen Rechtsrahmen und ökonomischer Tragkraft. Dies sind die Punkte, die wir von der Bundesregierung fordern. Was der Berufsstand nicht gefordert hat, waren eine Förderung, von der viele Betriebe weitgehend ausgeschlossen sind, und eine Fleischkennzeichnung die Stückwerk ist.
Zur Sonder-AMK wurde angekündigt, dass im Herbst ein Finanzierungskonzept der Ampelkoalition vorliegen soll. Das wäre tatsächlich ein großer Schritt, wenn frisches Geld da wäre, das nicht aus anderen Töpfen der Landwirtschaft umgeschichtet wird. Das Konzept müsste zudem so umfangreich sein, dass der vom Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung errechnete Bedarf gedeckt wird: Mehrere Milliarden Euro pro Jahr. Diese Erwartungshaltung hat das BMEL selbst geschaffen durch seine großen Ankündigungen, den Umbau der Tierhaltung mit den Landwirten „gemeinsam und solidarisch“ zu gestalten. Daran muss sie sich messen lassen und daran scheitert sie bis jetzt.
Ihr Olaf Feuerborn
Präsident Bauernverband Sachsen-Anhalt e.V.
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