Liebe Berufskolleginnen und -kollegen,

die Direktvermarktung ist mehr als ein Betriebszweig oder Absatzweg, sie bringt Landwirtinnen und Landwirte direkt mit den Konsumenten in Kontakt. Durch diesen persönlichen Austausch entstehen Vertrauen und Verständnis für die landwirtschaftliche Arbeit und die Herausforderungen, denen sich die Erzeuger täglich stellen. In einer Zeit, in der viele Menschen den Bezug auf die Herkunft ihrer Lebensmittel verlieren, schafft die Direktvermarktung Transparenz und ermöglicht es, Landwirtschaft wieder greifbarer und nahbarer zu machen.

Ein zentraler Vorteil der Direktvermarktung ist die direkte Verbindung zwischen Landwirten und Verbrauchern. Wer seine Produkte direkt anbietet, schafft eine Beziehung, die weit über den reinen Verkauf hinausgeht. Konsumentinnen und Konsumenten können sich direkt vor Ort, auf Wochenmärkten oder sogar online über die Herstellungsprozesse informieren und Fragen stellen. Der persönliche Kontakt fördert das Vertrauen, da die Menschen die Möglichkeit haben, den Hof, die Tiere oder die Felder zu sehen, von denen ihre Lebensmittel stammen. Diese Transparenz ist für viele Konsumenten ein entscheidender Faktor, da sie Sicherheit gibt, dass die Produkte unter guten Bedingungen hergestellt wurden. Für die Landwirtschaft bedeutet das, dass nicht nur Produkte verkauft werden, sondern auch die dahinterstehende Arbeit und die Werte vermittelt werden können.

Ein weiterer bedeutender Aspekt der Direktvermarktung liegt in ihrer regionalen Ausrichtung. Produkte haben kurze Transportwege. Zudem bleibt das Geld, das direkt beim Bauern ausgegeben wird, in der Region und unterstützt die lokale Wirtschaft. Ein Teil der Verbraucherinnen und Verbraucher ist sich dieser Vorteile bewusst und legt zunehmend Wert auf regionale und saisonale Produkte.

Ein oft übersehener Aspekt der Direktvermarktung ist ihr Wert für die Gemeinschaft. Sie bringt Landwirtinnen und Landwirte direkt in Kontakt mit einer Vielzahl von Menschen – vom Stammkunden auf dem Wochenmarkt bis zum neugierigen Hofbesucher. Dieser persönliche Austausch ermöglicht es, nicht nur Produkte zu verkaufen, sondern auch Geschichten und Anbauweisen zu teilen sowie auf die Fragen der Konsumenten einzugehen. Dies schafft Verständnis für die Landwirtschaft und trägt dazu bei, Vorurteile abzubauen. Im Gegensatz zum Einkauf im Supermarkt entsteht eine Nähe, die es den Verbrauchern ermöglicht, bewusster einzukaufen und genau nachzuvollziehen, wie und wo ihre Lebensmittel produziert werden. Wer regional kauft, unterstützt die lokale Landwirtschaft und trägt dazu bei, dass die Wertschöpfung in der Region bleibt. So werden wirtschaftliche und soziale Strukturen gestärkt, die für eine vielfältige Landwirtschaft unerlässlich sind.

Trotz der genannten Vorteile muss und kann nicht jeder Landwirt oder jeder land­wirtschaftliche Betrieb Direktvermarktung machen. Von den markt­wirtschaftlichen Schwierigkeiten abgesehen, die sich daraus ergeben würden, hängt der Erfolg der Direktvermarktung von vielen Faktoren ab. Höfe, die in ländlichen Regionen liegen, haben oft nicht genug potenzielle Kunden in der Nähe. Auch fehlen oft die Strukturen, um ihre Produkte auf digitalen Plattformen oder über soziale Medien effektiv zu vermarkten.

Vor allem aber muss benannt werden, dass Direktvermarktung eines von den verschiedenen landwirtschaftlichen Betriebsmodellen ist, die wir in Deutschland brauchen. Unsere Mitmenschen haben unterschiedliche Essgewohnheiten und sehr unterschiedliche finanzielle Möglichkeiten. Eine oft kritisierte „industrielle Massenproduktion“ von landwirtschaftlichen Erzeugnissen wie Getreide und anderen Grundnahrungsmitteln ist unverzichtbar, um die Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen. In den fünf größten Städten leben mehr als 9 Millionen Mitmenschen, die jeden Tag essen wollen.

So vielfältig heute die Verbraucher sind, so unterschiedlich sind auch die landwirtschaftlichen Betriebe. Hier liegt eine große Stärke, die es zu bewahren gilt. Oft wird diskutiert, wie die „richtige“ Landwirtschaft oder die „Landwirtschaft von morgen“ aussieht. Ich glaube, in sehr vielen Punkten haben wir heute schon die Landwirtschaft von morgen, in all ihrer Vielfalt.

Susann Thielecke
Vizepräsidentin des  Bauernverbandes Sachsen-Anhalt e.V.

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