Kommentar der Verbandsspitze im Informationsheft 10/2022

Liebe Berufskolleginnen und -kollegen,

ein agrarpolitisch ereignisreicher September liegt hinter uns. Allem voran die Agrarministerkonferenz (AMK) in Quedlinburg hat uns beschäftigt, denn unter den insgesamt 40 Themen waren viele gewichtige Punkte. Auf Bundes- und Landesebene gab es Veranstaltungen zum Konflikt zwischen Weidetieren und dem Wolf, der sich weiter ausbreitet. In den Medien hat das Thema vor allem dadurch Aufwind bekommen, dass Anfang September das Pony von Ursula von der Leyen von einem Wolf gerissen wurde.

Es gab noch ein weiteres Thema, das viele von uns beschäftigt hat, nämlich die geplante „Sustainable Use Regulation“ der EU, kurz SUR. Das Ziel dieser Verordnung ist, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in der EU bis zum Jahr 2030 zu halbieren. Seit dem Beginn der politischen Diskussion um die SUR hat sich der Bauernverband auf allen Ebenen dazu eingebracht, mit einem klaren Standpunkt: Wenn die SUR umgesetzt werden sollte, wird die Produktivität unserer Landwirtschaft bis zum Verbraucher hin spürbar verringert, die betriebliche Struktur vieler Landwirte wird einbrechen und große Werte im ländlichen Raum werden vernichtet.

Auf unserer Webseite finden Sie eine umfassende Stellungnahme des Bauernverbandes Sachsen-Anhalt dazu. Diese enthält unter anderem einen Verweis auf das niederländische Modell, welches bei uns in Sachsen-Anhalt in der Börde erprobt wird. In diesem Modell werden Maßnahmen erarbeitet und umgesetzt, die gezielt die Biodiversität stärken, ohne durch pauschale Verbote wahllos in die Arbeit der Landwirtinnen und Landwirte einzugreifen. Es geht bei diesem Ansatz um ein Miteinander von Ökologie und Ökonomie.

Dieses Miteinander kann gelingen, auch im großen Maßstab – wenn uns nicht bei jeder Arbeit eine Schädigung unserer Umwelt unterstellt wird. Deswegen war eine der Forderungen zur Agrarministerkonferenz, die wir mit den Berufskollegen von Bauernbund und LsV, den Waldbesitzern und weiteren Organisationen bei der AMK gestellt haben: Es braucht eine Vertrauenskultur gegenüber Land- und Forstwirten. Diese ist der Politik in weiten Teilen vollkommen abhandengekommen, was besonders daran zu erkennen ist, wie sich manche Politikerinnen und Politiker den zukünftigen bürokratischen Aufwand beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln vorstellen.

Natürlich ging es bei der Agrarministerkonferenz um mehr Themen als den Pflanzenschutz. Steigende Energiepreise setzen unsere Betriebe unter Druck, insbesondere die Tierhalter, die zeitgleich mit Marktverwerfungen, Fachkräftemangel und nach wie vor Corona und den daraus resultierenden Ausfällen von Mitarbeitern oder Kollegen zu kämpfen haben. Dennoch will die Bundesregierung die Tierhaltung in Deutschland umbauen. Das BMEL will den Umbau forcieren, obwohl viele fundamentale Aspekte nicht geklärt sind, unter anderem die Finanzierung.

Die vor Jahren maßgeblich dafür initiierte Borchert-Kommission hat im September vom Bundes­land­wirtschafts­minister Özdemir ein neues Mandat erhalten. Dieses hat sie angenommen, um postwendend zu verkünden, dass ihre Arbeit pausieren wird. Die Kommission erklärte, die Arbeit so lange ruhen zu lassen, bis die Bundesregierung eine Lösung dafür gefunden hat, wie sie den Umbau der Nutztierhaltung finanzieren will. Der politisch angestrebte Umbau wird der Kommission zufolge mehrere Milliarden Euro im Jahr kosten. Das Bundeslandwirtschaftsministerium will die Pläne mit insgesamt einer Milliarde Euro in den kommenden vier Jahren unterstützen. Es braucht nicht viel Fantasie, um zu erraten, wer die Mehrkosten am Ende tragen soll.

Neben der Finanzierung ist unklar, ob ein heute gebauter Stall in wenigen Jahren den sich politisch ändernden Standards noch entspricht. Es kann nicht erwartet werden, dass Ställe, die einen Amortisierungszeitraum von 15 oder 20 Jahren bräuchten, ohne politische Sicherheit gebaut werden – wenn sie denn genehmigt würden, woran es bekanntlich auch massiv hakt. Die Bundesregierung schafft es trotz großer Worte nicht, eine Zukunftsperspektive für die landwirtschaftlichen Betriebe aufzuzeigen. Das liegt insbesondere daran, dass an pauschalen Vorhaben wie dem 30-Prozent-Ziel im Ökobereich festgehalten wird. Das liegt aber auch daran, dass sie nicht schafft, eine transparente Kommunikation in der Branche aufzubauen.

Dazu würde zum Beispiel gehören, dass ehrlich benannt wird, wie viel der politische Umbau der Tierhaltung in Deutschland kosten soll – und wie viel davon die Landwirtinnen und Landwirte aufgebürdet bekommen, trotz der rasanten Kostensteigerungen. Unsere Betriebe mit mehreren Milliarden Euro Mehrkosten zu belasten, ohne politische Planungs­sicherheit, das kann nicht mitgetragen werden. Wenn der Bundeslandwirtschaftsminister sich dann im Rahmen der AMK als „Freund der Bauern“ präsentieren will, darf es diesen nicht wundern, wenn er keinen Applaus erhält.

Wir erwarten von der Bundesregierung ein klares Bekenntnis zu einer zukunftssicheren, produktiven Landwirtschaft in Deutschland und damit der vielfältigen Absicherung von Versorgungssicherheit mit Nahrungsmitteln. Das wird nicht mit Verboten erreicht.

Ihr Olaf Feuerborn

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Kundgebung zur AMK in Quedlinburg

Aufruf: Noch existiert unsere Landwirtschaft hier vor Ort – wir brauchen umsetzbare Antworten auf unsere existenziellen Zukunftsfragen!

Vom 14. bis 16.09 findet in Quedlinburg die Agrarministerkonferenz statt. Wir erwarten Antworten für eine nachhaltige landwirtschaftliche Politik, die für Ernährungs- und Versorgungssicherheit sorgt.
Am Freitag wird eine Kundgebung stattfinden. Wir wollen alle Landwirtinnen und Landwirte dazu aufrufen, daran teilzunehmen.

Wann?   Freitag, Sammeln um 12:30

Wo?       Marktplatz Quedlinburg

Zu Parkplätzen findet Ihr HIER eine Übersicht. Wenn möglich sollten Fahrgemeinschaften gebildet werden, damit auch alle einen Parkplatz finden.

 

Für alle, die noch an dem Trecker-Korso ab 10:00 teilnehmen möchten: Tragt Euch in die Doodle-Liste ein, weitere Informationen werden Euch zugeschickt. Alternativ könnt Ihr euch telefonisch bei eurer Kreisgeschäftsstelle des Bauernverbandes oder beim Bauernbund melden.

Bild von der Mahnwache vor dem Rathaus, die Agrarminister tagen ganz in der Nähe.

Kommentar der Verbandsspitze im Informationsheft 09/2022

Werte Mitglieder,
werte Landwirtinnen und Landwirte,
einen besonderen Aufhänger für diesen Kommentar zu identifizieren, fällt außerordentlich schwer. Wir haben in der Gesamtgesellschaft seit Längerem zu viele komplexe und miteinander zusammenhängende Themen, die die Bürger beschäftigen und deutlich emotional belasten. Einen Fokus muss man sicherlich richten auf finanzielle Herausforderungen mit ungewisser Entwicklung. Nach den Phasen der Coronapandemie laufen wir voraussichtlich hinein in eine Rezession mit nicht absehbaren Konsequenzen für unsere Gesamtwirtschaft. Drastisch stei­gende Energiekosten durch unsichere Energie­verfüg­barkeit, hohe Preisvolatilitäten und damit nicht mehr planbare Produktionskosten, das ist ein Mix, der für einige nicht zu bewältigen sein wird, unerheblich, ob Unternehmen oder Privat­person. Bei gleichbleibenden Ver­kaufs­erlösen drücken die steigenden Energie­­kosten Unter­­­nehmens­gewinne, was zu weniger Steuer­einnahmen auf kommunaler Ebene führen wird und Anpassungs­reaktionen auf Unter­nehmens­ebene bei Investitionen und Lohnkosten nach sich ziehen muss. Im Privat­bereich werden Ausgaben erwartungsgemäß auf den Prüfstand gestellt, angefangen bei variablen Kosten wie Lebensmitteln und allgemeinem Konsum. Der Euro kann nur einmal ausgegeben werden, und die oberste Devise wird sein, ein bezahlbares und warmes Dach über dem Kopf zu haben und sich mit Nahrungsmitteln günstig versorgen zu können. Eine erschreckende Zahl aus dem Juli: Dem Bundesverband der Tafeln zufolge suchen in Deutschland mehr als 2 Millionen Menschen Hilfe bei den 962 Tafeln. Mit etwas Dunkelziffer sprechen wir über die Gesamtbevölkerung Sachsen-Anhalts, die Lebensmittel sucht.
Die gesellschaftliche Gefahr, die in den Ent­wicklungen bei der Energieversorgung liegt, kommt als Botschaft verstärkt bei der Bundes­regierung an. Man sollte davon ausgehen, dass hinter den Kulissen und vertraulich an tragfähigen Lösungen im Zusammenspiel mit allen verfügbaren Partnern gearbeitet wird, um die Energieversorgung flächendeckend und verlässlich umgehend sicherzustellen. Kommunikativ ist das eine Aufgabe, die über das Geben von persönlichen Verhaltensregeln und politischem Alarmismus klar hinausgehen muss, möchte man die Gesellschaft beisammenhalten. Daher muss auch Parteiprogrammatik nun nach hinten gestellt werden, die politischen Schönwetterphasen sind vorbei. Wer sich trotzdem nicht verändert, hat augenscheinlich nicht verstanden, um was es wirklich geht. Die kommenden Wochen sind sehr entscheidend, in allen Wirtschaftsbereichen.
Und damit wären wir bei der Agrarpolitik in Deutschland. Die Agrar­branche kann Lösungen bei Nahrungs­mitteln für alle aufbieten, sie kann im Energiebereich mehr beitragen, wenn man sie denn lässt. Wir haben hier noch Luft nach oben, nur in der politischen Realität wird die Handbremse nicht gelöst. Dem Sektor wird stattdessen sukzessive Geld entzogen, er wird politisch und wirtschaftlich geschwächt. Glücklicherweise werden die wenigsten Landwirte die Pressemitteilungen des BMEL abonnieren, diese wären für das Gros der Betriebe harter Tobak. Wer erleben möchte, wie man eine Branche verbal darauf vorbereitet, diese von Wirtschaftskreisläufen und Wertschöpfung abzukoppeln, der sollte dieses aber auf jeden Fall machen.
Als verantwortliches Ministerium der eigenen Klientel gegenüberzutreten und den Abbau der Tierhaltung zu propagieren, eine Rückkehr zur Eigenversorgung zu unterstützen, weil der Einsatz von synthetischem Mineraldünger energieintensiv ist – das muss man erstmal hinbekommen. Eine Linie zieht sich klar durch: „Wenn wir extensiver werden, mit noch weniger Tieren, dann arbeiten wir klimaschonend und schützen die uns anvertrauten natürlichen Ressourcen.“
In diesem Duktus geht das seit Monaten, während Landwirte mit dem Blick auf die wirtschaftliche Lage breite politische Unterstützung des zuständigen Ministeriums erwarten.
Die aktuelle Lage mit ihren neuen Notwendigkeiten sowie die bereits bestehenden Zielkonflikte innerhalb der Agrarbranche – das scheint in der Berliner Politebene noch immer nicht angekommen zu sein. Den Landwirten und ihren Interessenvertretern ist diese jedoch sehr bewusst. Es muss zügig gelingen, dass praxistaugliche Lösungen gefunden werden, teilweise muss die Bundespolitik zu harten Kurswechseln bereit sein. Wenn das nicht gelingt, werden Unmut und Protest weiter zunehmen und der eigens formulierte Anspruch der Koalition, dass man „gemeinsam mit den Bauern in die Zukunft“ will, wird ad absurdum geführt.
Ihr Marcus Rothbart

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Unbefriedigende Ernteergebnisse, unsichere Aussichten

Sachsen-Anhalts Landwirtinnen und Landwirten war schon vor der Ernte klar, dass die Ergebnisse in diesem Jahr nicht allzu gut ausfallen. Hitze und viel zu wenig Wasser haben vielen Pflanzen seit der Aussaat keine guten Bedingungen geboten. Trotz widriger Bedingungen hat sich ein Teil der Wintergerste relativ stabil entwickelt und konnte die Ertragsbildung vor der extremen Trockenheit abschließen. Das Ernte-Ergebnis liegt mit 74 dt/ha über den ersten Prognosen und auf einem Niveau, dass auch in Jahren mit besserer Witterung üblich ist. Die Qualitäten der Getreidekörner sind jedoch durchwachsen. Tatsächlich gedroschen, und damit im Rahmen der Ernteumfrage erfasst, wurden nicht alle Gerstenbestände. Ein Teil musste im grünen Stadium gehäckselt werden, um als Futter verwendet werden zu können.
Die Ergebnisse im Winterweizen, für viele Betriebe eine zentrale Kultur, sind weniger schlecht als in der Vorernte-Prognose mit 61 dt/ha prognostiziert. Im Landesdurchschnitt konnten 64 dt/ha eingefahren werden. Damit liegt der Ertrag knapp 5 dt/ha über dem katastrophalen Ergebnis von 2018. In Jahren mit normaler Witterung können die Landwirte in Sachsen-Anhalt 80 dt/ha und mehr beim Winterweizen erzielen, abhängig vom jeweiligen Standort.
Wie auch bei Gerste und Roggen (Ø 39,6 dt/ha) wurden von den Landwirtinnen und Landwirten geringe Hektolitergewichte und hohe Schmachtkornanteile gemeldet. Schmachtkorn bezeichnet kümmerlich ausgebildetes Getreide und ist neben den anderen Qualitätsparametern ausschlaggebend für die Bestimmung des Preisniveaus. In Kombination mit der wechselhaften Marktlage entstehen dadurch starke Schwankungen bei den Preisen, die von den Betrieben erzielt werden können.
Von einem guten Geschäftsjahr werden die Landwirtinnen und Landwirte dennoch nicht sprechen, aufgrund der durchwachsenen Erträge und Qualitäten, der oftmals langfristigen Verträge mit Abnehmern sowie der stark gestiegenen Betriebsmittelkosten. Hinzukommt die große, politische Unsicherheit. „Für die landwirtschaftlichen Unternehmen sind die aktuell diskutierten Pläne auf EU-Ebene, die einen Produktivitätsverlust in zweistelliger Prozenthöhe bewirken sollen, nicht weniger existenzgefährdend als die Dürre. In vielen Bereichen, bei Düngung, Pflanzenschutz und Schutz des Eigentums, fehlt eine wirtschaftliche Perspektive“, erklärt Marcus Rothbart, Hauptgeschäftsführer des Bauernverbandes Sachsen-Anhalt.
Die Dürre wirkt sich auf alle Kulturen aus, die angebaut werden. Von den Landwirtinnen und Landwirten in Sachsen-Anhalt wurden in diesem Jahr wesentlich mehr Sonnenblumen angebaut als noch im Vorjahr. Aber auch diesen vergleichsweisen resistenten Pflanzen setzt die Witterung stark zu. Die Ernte ist mancherorts so stark vertrocknet, dass die Erträge voraussichtlich nicht die Kosten decken werden.
Die Dürre hat auch weniger offensichtliche Auswirkungen auf die Ernte von Sachsen-Anhalts Bauern, unter anderem bei Erbsen und Ackerbohnen. Wenn Pflanzen sich nicht gleichmäßig und geschlossen entwickeln können, bilden sich Lücken in den Beständen. Diese werden von Unkräutern ausgenutzt, beispielsweise von Quecke. Zum einen entsteht damit ein Konkurrenzkampf um Wasser und Nährstoffe, zum anderen lassen sich die Bestände deutlich schlechter Ernten. Für den Landwirt bedeutet das höhere Kosten und ein höheres Risiko, dass das Erntegut ungewünschte Pflanzenbestandteile enthält.
An der dritten und abschließenden Erntemeldung des Bauernverbandes Sachsen-Anhalt haben sich knapp 200 Landwirtinnen und Landwirte beteiligt. Die Erntebilanz des Deutschen Bauernverbandes finden Sie HIER.

Was die Aussetzung der erweiterten Stilllegung 2023 für Sachsen-Anhalt bedeutet

4 Prozent – um diese Zahl haben die Agrarminister der Länder, das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) von Cem Özdemir und unsere Landwirte in den vergangenen Monaten diskutiert.

Ursprünglich war vonseiten der EU vorgesehen, dass Landwirte ab 2023 von ihrer Ackerfläche 4 Prozent stilllegen müssen, um für die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) förderberechtigt zu bleiben. Solche stillgelegten Flächen dürfen durch den Landwirt nicht für den Anbau von Weizen, Raps oder anderen Kulturen genutzt werden. Die EU-Kommission hatte vor dem Hintergrund des Kriegs in der Ukraine beschlossen, dass die Mitgliedsstaaten diese Vorgabe ein Jahr lang aussetzen können. Dagegen hatte sich Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir lange verwehrt. Bereits seit März wurde die Aussetzung neuer Stilllegungen gefordert, von Landwirten und vielen Länder-Agrarminister wie Sachsen-Anhalts Minister Sven Schulze.

Anfang August hat das BMEL bekannt gegeben, dass es einen Vorschlag an die Länder gebe, der eine Aussetzung der erweiterten Flächenstilllegung enthält. Auf den vorgesehenen Flächen soll weiterhin ein landwirtschaftlicher Anbau möglich sein. Dabei sind Flächen, die in den Jahren 2021 und 2022 bereits freiwillig stillgelegt wurden, davon ausgeschlossen. Durch diese Entscheidung werden die bereits etablierten Stilllegungen nicht weniger. Wissenschaftlichen Berechnungen zufolge können durch diese Maßnahme 100.000 bis 180.000 Hektar weiter für den Anbau von Lebensmitteln genutzt werden, so die Erläuterung des BMEL.

In Sachsen-Anhalt sind bereits jetzt 2,3 Prozent der Ackerflächen stillgelegt, das entspricht 22.280 Hektar. Mit der Vorgabe von 4 Prozent Stilllegung wäre diese Zahl auf knapp 39.000 Hektar gestiegen. Weil diese Vorgabe ein Jahr ausgesetzt wird, bleiben rund 16.720 Hektar weiter in der Bewirtschaftung. Auf dieser Fläche dürfen die Landwirte 2023 u.a. Weizen, Roggen, Erbsen und Sonnenblumen anbauen.

Wenn im kommenden Jahr auf der Hälfte dieser 16.720 Hektar Weizen angebaut wird, kann das bei Anbaubedingungen wie in diesem Jahr zu 50.000 Tonnen Weizen führen. Bei guten Bedingungen, also wenig Hitze und mehr Regen, ist auch deutlich mehr möglich. Und das gilt allein für Sachsen-Anhalt. Damit kann unsere Landwirtschaft einen wichtigen Beitrag zur Ernährungssicherheit leisten.

Für die landwirtschaftlichen Praktiker ist jetzt zum einen wichtig, dass die Ankündigung des Bundeslandwirtschaftsministers schnell rechtlich festgeschrieben wird. Zum anderen darf die Bundespolitik für die einjährige Aussetzung nicht andere, bestehende Vorgaben an die Landwirte zusätzlich erhöhen.

Stilllegungen haben das „Ziel des Erhalts und der Steigerung der Biodiversitätsleistungen“, so die Begründung des BMEL. Dies sehen viele Landwirte kritisch und würden lieber kooperativ Maßnahmen umsetzen. Statt Flächen stillzulegen und zu hoffen, dass diese der Biodiversität nützen, können Landwirte auch aktiv Maßnahmen umsetzen. Dadurch könnten Tier- oder Pflanzenarten gezielt unterstütz werden. Projekte dazu gibt es bereits, in Sachsen-Anhalt betreut durch die Stiftung Kulturlandschaft Sachsen-Anhalt.

Agrarpolitik ab 2023 – Es braucht endlich Entscheidungen!

Pressemitteilung der ostdeutschen Landesbauernverbände vor der Sonder-Agrarministerkonferenz am 28.07.2022 in Magdeburg

Landwirtinnen und Landwirte brauchen endlich Klarheit, welche Anforderungen von der Politik im Rahmen der Agrarförderung der GAP (Gemeinsame Agrarpolitik) an sie künftig gestellt werden. Aktuell ist in wichtigen Punkten noch immer nicht klar, an welche Vorgaben sich die Betriebe ab 2023 halten sollen. Vor diesem Hintergrund haben sich die Bauernpräsidenten der fünf ostdeutschen Bundesländer am Dienstag in Magdeburg zu einer gemeinsamen Pressekonferenz getroffen. Derzeit haben die Landwirtinnen und Landwirte keine Klarheit, ob sie im kommenden Jahr beispielsweise Weizen nach Weizen anbauen dürfen, obwohl jetzt das Saatgut bestellt werden müsste. Auch ist nicht bekannt, wie viel Prozent der Ackerfläche aufgrund politischer Vorgaben im nächsten Jahr nicht bearbeitet werden dürfen.

Seit Monaten fordern die Bauernverbände die Politik auf, förderpolitische Planungssicherheit für die Betriebe herzustellen. Die fünf Präsidenten appellieren an die Agrarminister: „Finden Sie Lösungen abseits von Parteipolitik. Wir können mit jeder erzeugten Tonne Weizen für die weltweite Ernährung einen Beitrag leisten. Die Agrarministerkonferenz muss sich dafür einsetzen, dass ausstehende Entscheidungen nicht länger aufgeschoben werden.“

Vor dem Hintergrund einer mangelnden politischen Vorwärtsperspektive für die deutsche Landwirtschaft, die wirtschaftlich und fachlich tragfähig ist, haben die jüngsten Äußerungen von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir zu großem Unmut im Berufsstand geführt. Zum einen sein Ausspruch zu einer „maßvollen Reduzierung“ der Tierbestände.

In diesem Bereich sorgt die Politik bereits dafür, dass immer mehr Betriebe ihre Ställe für immer schließen müssen.

Mehr noch hat jedoch die Äußerung, dass der Bundesminister aktuell keinen Anlass zum radikalen Protest von Landwirten in Deutschland sieht, für Empörung gesorgt. Keinem Politiker steht die Bewertung zu, ob ein Berufsstand auf die Straße geht. Viele Landwirtinnen und Landwirte haben in den vergangenen Jahren zunehmend den Eindruck gewonnen, dass die Landwirtschaft ein Raum für politische Umwelt- und Klimaschutz-Visionen geworden ist. Die Leistungen der Landwirtinnen und Landwirte werden hingegen, abseits von vollmundigen Reden, nicht adäquat anerkannt und honoriert.

Hierzu passen auch die weiteren politischen Vorhaben bei der verabschiedeten nationalen AVV und deren nicht verursachergerechte Ausweisung und Ausweitung sogenannter „Roter Gebiete“, in denen nicht bedarfsgerecht gedüngt werden darf. Weiter können die europäischen Planziele zum Verbot von Pflanzenschutzmitteln in Schutzgebieten mit einer Reduktion um 50 % angeführt werden. Dieses sind Maßnahmen, die Maximalforderungen folgen, landwirtschaftlich fachlichem Wissen entgegenstehen und zu mehr Nahrungsmittelimporten aus Drittstaaten sowie dem Verlust von landwirtschaftlicher Fläche und zahlreichen Betrieben führen.

Zahlreiche Medien haben über die Pressekonferenz berichtet, u.a.:

Deutschlandfunk – https://www.deutschlandfunk.de/es-fehlt-planungssicherheit-ostdeutsche-bauernverbaende-machen-druck-dlf-994698f8-100.html

topagrar – https://www.topagrar.com/management-und-politik/news/agrarreform-ostdeutsche-bauernpraesidenten-schliessen-demos-nicht-aus-13157872.html

rtl – https://www.rtl.de/cms/ostdeutsche-bauernverbaende-erhoehen-druck-auf-politik-28d41d07-cc78-5253-9bde-43608b64589a.html

Kommentar der Verbandsspitze im Informationsheft 07/2022

Werte Mitglieder,

werte Landwirtinnen und Landwirte,

erneut erleben wir ein Jahr, in dem der Start in die Getreideernte in Sachsen-Anhalt früher als gewünscht anfängt und die Mähdrescher durch schwache Bestände rollen. So herausfordernd das ist, so individuell ist diese Situation auch in ihrer wirtschaftlichen einzelbetrieblichen Ausprägung. Wir gehen in eine Ernte 2022, die idealerweise noch zu überwiegend alten Kosten von vor dem Krieg erstellt wurde und auf der Gegenseite eventuell deutlich von den gestiegenen Preisen profitiert. Eines zieht sich durch alle Gespräche mit Betriebsleitern in diesen Tagen: Es ist eine unternehmerisch sehr fordernde Zeit, in der Stundenentscheidungen bei Einkauf und Verkauf über Erfolg und Misserfolg, über Wohl und Wehe des Betriebes entscheiden. In dieser Ausprägung ist das neu und es sieht aktuell nicht danach aus, dass wir planbarere Zeiten an den Märkten bekommen.

Gehen wir noch tiefer in die Materie, dann reden wir von zusätzlichen Knapp­heiten bei Technik und Personal. Leer­gefegte Technik­höfe bei Land­technikhändlern, weiter weltweit gestörte Liefer­ketten und nicht mehr zu bekommendes Personal in so gut wie allen Bereichen lassen manchen fast verzweifeln und mit die größte Hoffnung ist, dass keine relevante Technik in der Ernte ausfällt. Als wenn das alles nicht genug ist, so herrscht auch in der Politik auf Bundesebene weiterhin deutlich aus­baufähiges Engagement für den Agrarsektor in seiner Gesamtbreite.

Erstens kommen wir seit Monaten bei der künftigen GAP nicht weiter und Landwirte jeder betrieblichen Ausrichtung fragen zu recht, wie sie eine Anbauplanung für das kommende Jahr machen sollen, wenn die Kriterien nicht klar sind, die für den Erhalt der weiter notwendigen Direktzahlungen gelten sollen. Dieser politische Job muss nun von allen Beteiligten erledigt werden, wir haben seit Jahren die abgestimmten Vorstellungen des Berufsstandes intensiv eingebracht. Die Sonder-Amtschef- und Agrarministerkonferenzen im Juli, unter der Leitung Sachsen-Anhalts, bringt hoffentlich weitere Erkenntnisse und Ergebnisse. Eines muss klar sein: Wir haben keine Zeit mehr für parteipolitische Spielereien der Umweltseite und zusätzliche Sonderbelastungen auf dem Rücken der Betriebe. Das was bisher bekannt ist, reicht schon so lang hin, dass Praktiker sich fragen, wie sie den teilweise vorgesehenen fachlichen Unfug im Zusammenspiel mit den natürlichen Verhältnissen auf ihren Betrieben umsetzen sollen. Sollte das was bisher auf dem Tisch liegt ein „Nichtangebot“ sein, so trifft es das recht gut. Die Hoffnung einiger politischer Akteure mag die sein, dass man die Kriterien so verunmöglichen will, dass möglichst wenige Betriebe noch die Mittel beantragen und sie somit frei werden für andere Zwecke.

Zweitens kommen wir in der Weiter­ent­wicklung der Tierhaltung nicht voran, im Gegenteil –wir erleben gerade Struktur­­brüche in der Schwein­e­haltung mit weg­brechenden Wertschöpfungsketten. Für einige politische Akteure mag sich damit ein Problem so gut wie gratis erledigen, das sie selbst über Jahre erst zum Problem hoch­stilisiert haben. Was diese Politik für Betriebe und Menschen bewirkt, Insolvenzen und persönliche Schick­sale, das findet in der Diskussion überhaupt nicht statt. Hier wäre es die allererste Aufgabe, auch eines BMEL, seiner Für­sorge­verpflichtung für die Branche nachzukommen.

Wenn die Generationenwerke von Familien zerstört werden und der Strukturwandel gerade im Westen der Republik nun maximale Fahrt aufnimmt, dann ist es Zeit für eine Politikkorrektur über Parteigrenzen hinweg. Es ist Zeit für einen Stopp der permanenten Zunahme von nicht entlohnten Zusatzbelastungen und der stetigen Rückführung von finanzieller Unterstützung. Andernfalls erleben wir eine Überführung, eine Transformation der Landwirtschaft in Deutschland in eine Marktwirtschaft ohne soziale Komponente.

Wenn eine Transformation der Prozess der gezielten Umgestaltung der Grundstruktur eines Unternehmens ist, dieses eine neue Identität entwickelt, am Ende aber keine eigene Identität übrigbleibt – dann ist das nicht die Transformation, die es im Lande zu unterstützen gilt. Das wäre eine Landwirtschaft, die zwischen Politik und Weltmarkt hin und her gerissen wird, was zumindest öffentlich niemand will. Aber das wird die Folge sein. Auf der anderen Seite wollen wir junge Menschen als Hofnachfolger oder Leitungskräfte in die Branche bekommen, nur sollten und können wir denen auch nichts mehr vormachen. Sie sehen eine Perspektive für sich, sind gut ausgebildet, informiert und mobil. Hier muss die Politik verlässlich liefern und zuvorderst die bestehenden Unternehmen unterstützen und stärken.

Ihr

Marcus Rothbart

Blick ins Heft:

Kommentar der Verbandsspitze im Informationsheft 06/2022

Liebe Berufskolleginnen und -kollegen, zu Beginn der Corona-Pandemie und mit den einhergehenden, kurzfristigen Lieferengpässen mancher Produkte ist die Rolle des Landwirtes wieder stärker in den Vordergrund getreten. Vielen Mitmenschen wurde […]