Kommentar der Verbandsspitze im Informationsheft 05/2023

Werte Mitglieder,
werte Landwirtinnen und Landwirte,

taucht man in die politische Diskussion ein, so begegnen dem interessierten Bürger immer mehr wachstumskritische Stimmen, die augenscheinlich die mediale Oberhand gewinnen. Wachstum wird als etwas Negatives angesehen, Nullwachstum der Wirtschaft als erstrebenswertes Ziel proklamiert. Paradoxerweise gehören solche Stimmen oft Interessensgruppen, die seit Jahren strukturell, personell und wirtschaftlich wachsen. In einer Zeit, in der bundesweit eine schleichende Deindustrialisierung mit ihren negativen Folgen voranschreitet, sind solche Forderungen ein Anachronismus und Ausdruck einer eingeschränkten Sicht auf Wirtschaft, Kapitalismus und globale Wertschöpfungsketten. Eine funktionierende, wachsende soziale Marktwirtschaft unter Ausnutzung komparativer Kostenvorteile sorgt erst für die Möglichkeiten der intensiven materiellen Umverteilung und damit die Unterstützung derer, die solcher Hilfen bedürfen.

Es ist nichts dagegen zu sagen, wenn Bürger wirtschaftlich enthaltsam leben wollen. Problematisch ist hingegen eine politische Entwicklung, wenn die gesamte Welt diesem Weg nachfolgen soll. Wäre das ein vorteilhafter Weg für die Mehrheit, dann ginge das über Anreize und Motivation, nicht über mehr Staat, Kontrolle, Ordnungsrecht bis hin zu Denunziationsportalen.
Große Auswirkungen auf unser Zusammenleben in der Gesellschaft hat die Deutungshoheit von Begriffen. Was genau gemeint ist, mit scheinbar allgemein bekannten Begriffen, ist im Detail oft unklar. Eine kleine Auswahl nicht vielfältig ausdeklinierter, verwendeter Begriffe: Klimakrise, Nachhaltigkeit, Gemeinwohlprämie, Transformation, Ernährungswende, Moorschutz, Degrowth, Mobilitäts­wende, Agrarwende, Stilllegungsflächen als Bio­diversitätsflächen, Bürgerräte, zukunftsfeste Landwirtschaft, öko-soziale Marktwirtschaft und zum guten Abschluss Wärmewende.

Wir begeben uns auf einen Pfad der politischen Einseitigkeit, wenn wir nicht öffentlich und sauber klären, was mit welchem Begriff gemeint ist und welcher Partner was wie deutet. Unreflektiert Begriffe in den politischen Sprachgebrauch zu übernehmen, die irgendwann Allgemeingut werden, wird uns kurzfristig auf die Füße fallen. Da mögen sie noch so charmant und mit Wohlfühlcharakter daherkommen, die dahinterliegende gewünschte Politikausrichtung ist entscheidend.

Nicht wenige Bürger haben die Wahrnehmung, dass es mit der guten alten liberalen Zeit vorbei geht und wir nun auch in sehr schwierigen wirtschaftlichen Fahrwassern ankommen. Notwendig wäre das Aufbauen eines Sicherheitsgefühls, das durch verantwortungsvolle Politik zu organisieren ist. Stattdessen gewinnen Parteiprogramme die Oberhand, und Bürger werden immer mehr verunsichert durch beinahe täglich neue Ideen. Sie nehmen wahr, dass ihre eigene wirtschaftliche Zukunft auf dem Spiel stehen kann, weil politische Projekte auf der Grundlage von Partei­programmen ab­ge­­arbeitet werden – auf Gedeih und Verderb.

Lesen bildet, möchte man zurufen. Nur wer interessiert sich schon für das, was Parteitage inhaltlich beschlossen haben? Vielen ist nicht mehr transparent, aus welchen Gründen diese oder jene Inhalte in Parteiprogramme aufgenommen werden. Es bleibt somit oft bei politischen Erklärungen, die für den Polit-Laien nicht nachvollziehbar sind. Dazu tragen maßgeblich die bereits genannten, unklaren Begriffe bei. Bürger mit wahrer Wendeerfahrung fühlen sich gegenwärtig an die finale Phase der DDR erinnert, und das ist eine gefährliche Erkenntnis. In der Folge wenden sich Bürger von der Politik ab, schlimmstenfalls radikalisieren sie sich. Wobei sogar das ein zu definierender Begriff ist.

Wenn von Klimaklebern Straßen blockiert werden, wird dies medial mehrheitlich goutiert, das plakative Anliegen ist schließlich eine Verkehrswende, eine „nachhaltige Transformation“. Wie diese funktionieren und von allen Bürgen akzeptiert – geschweige denn finanziert – werden soll, bleibt unklar. Ebenso verhält es sich mit den meisten Forderungen an die Landwirtschaft. Eine Agrarwende lässt sich leicht fordern, wenn man fachliche Machbarkeiten und wirtschaftliche Zwänge unter den Worthülsen „zukunftsfest“ und „öko-sozial“ vermeintlich erledigt.

Wir müssen uns als landwirtschaftlicher Sektor mehr mit politischem Sprachgebrauch und Schlagworten befassen, auch wenn sie im Tagesgeschäft auf den Betrieben scheinbar kaum relevant sind. Ignorieren und abtun, als seltsame Ideen oder Wortkreationen anderer gesellschaftlicher Gruppen, gelingt nicht. Es lohnt sich, die eigene Blase zu verlassen und über Visionen und Worte zu streiten, denn die Auswirkungen sind sehr real.

Marcus Rothbart
Hauptgeschäftsführer

Blick ins Heft:

Jubiläum der Fachschule in Haldensleben

Vor kurzem feierte die Fachschule, die an die Landesanstalt für Landwirtschaft und Gartenbau angegliedert ist, ein besonderes Jubiläum: 30 Jahre Internationaler Jugendaustausch mit dem Schweizer „Strickhof“, einem großen Kompetenzzentrum für landwirtschaftliche Ausbildung im Kanton Zürich. Aus diesem Anlass feierte man ein großes Fest mit 150 Gästen. Seit 1993 fahren Schüler und Lehrer alljährlich von der Schweiz nach Haldensleben und umgekehrt um landwirtschaftliche Lehre und Praxis kennenzulernen. Einmal im Jahr kommen zwei Gruppen zu je 40 Agrarschülern vom Strickhof hierher und genauso fahren deutsche Fachschüler in die Schweiz mit ihrer viel kleinteiligeren Landwirtschaft. Aus diesen zwei sehr unterschiedlichen Agrarstrukturen können die Betrachter viele Anregungen mitnehmen.

Generationen von Landwirten absolvierten bereits an der Fachschule für Landwirtschaft in Haldensleben (früher Landwirtschaftsschule oder Agraringenieurschule) ihre Ausbildung und leiten oder leiteten landwirtschaftliche Betriebe in der Region oder wo sie das Leben hintrug.

Aus ganz Sachsen-Anhalt und der Umgebung kamen und kommen immer noch vorrangig Landwirte, Tierwirte oder Fachkräfte für Agrarservice, um hier ihre Fortbildung zum staatlich geprüften Wirtschafter oder zum Agrarbetriebswirt, jeweils auch mit dem Schwerpunkt Ökologischer Landbau, zu absolvieren. Voll- oder Teilzeit, mit oder ohne Wohnheimunterbringung, alles ist möglich, auch die Prüfungsvorbereitung zum Landwirtschaftsmeister. Im Lehrgang zum Agrarbetriebswirt kann man zudem die Ausbildereignungsprüfung ablegen. Die Klassenstärke liegt bei durchschnittlich 15 Schülern. Gute Bedingungen also, um im Herzen der Bördestadt Haldensleben, in historischen Mauern am Marienkirchplatz, in der Außenstelle in der Bornschen Straße eine Fortbildung in Präsenz oder auch online zu absolvieren. Alle Qualifizierungen befähigen am Ende die Fachschüler einen landwirtschaftlichen Betrieb zu führen.

Die Leiterin der Fachschule, Andrea Fritzsche, und ihre Vertreterin, Anne Neuschrank, sind zwei der zehn Lehrer des Institutes. Außer ihnen arbeiten noch drei Angestellte in der Verwaltung. Andrea Fritzsche, Agrarpädagogin mit Referendariat, die die Schule seit 2019 leitet, ist froh über die kleinen Klassen, weil man hier „auf Augenhöhe unterrichtet“, wie sie sagt. „Die Schüler sind von 20 bis 50 Jahre alt und die Fragestellungen, die sie einbringen sind praxisbezogen. Schüler und Lehrer sind gleichermaßen im Agrarbereich verwurzelt.“ Die Chefin, selbst Lehrerin für Tierproduktion und Deutsch, ist auch froh, dass es nun wieder viel mehr Unterricht in Präsenz gibt, denn die kognitiven Fähigkeiten würden im Präsenzunterricht viel mehr unterstützt als beim digitalen Lernen.

Neuer Lehrgang startet im September

Anne Neuschrank ist an der Landwirtschaftsschule zwar Seiteneinsteigerin mit Referendariat aber im Ackerbaubetrieb der Familie verwurzelt. Sie hat Agrarwissenschaften studiert und ist seit 2017 Lehrer für Betriebswirtschaft. Die junge Lehrerin erklärt den neuen Lehrgang zur Qualifizierung von Nebenerwerbslandwirten, den die Fachschule vom 1. September 2023 bis zum 1.Mai 2024 anbieten wird. Diese Ausbildung ist noch in der Genehmigungsphase: In den neuen EU-Regelungen zur Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) stellt die „ergänzende Einkommensstützung für Junglandwirte“ einen beachtlichen Geldwert dar, der über die nächsten fünf Jahre gezahlt wird. Dafür muss der Junglandwirt bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Eine gute Möglichkeit bietet dafür der 300-Stunden-Lehrgang, den die Fachschule für Landwirtschaft Haldensleben ab September anbietet. Anmeldungen für den Lehrgang sind bis zum 30. Juni 2023 an der Fachschule möglich.

Links:

Internetseite der Fachschule Haldensleben

Verein der landwirtschaftlichen Fachschule

Strickhof in der Schweiz

Text und Bilder von Barbara Ilse (Bauernverband Börde)

Medientraining

„Meine Position erfolgreich auf den Punkt bringen“

Der Bauernverband Sachsen-Anhalt e.V. bietet vom 31. März bis zum 1. April diesen Jahres ein Medien-Training mit der Andreas-Hermes-Akademie an. Das Medien-Training „Meine Position erfolgreich auf den Punkt bringen“ dient zur sicheren Kommunikation landwirtschaftlicher Themen, wobei Methoden sowie Tipps und Tricks zur besseren Platzierung der Botschaft erarbeitet werden. Zudem werden Situationen erprobt, um sich von kritischen Fragen oder verbalen Angriffen nicht aus der Ruhe bringen zu lassen.

Wenn Sie Fragen haben, wenden Sie sich gerne an unsere Bildungsreferentin Henriette Krause. Kontaktdaten finden Sie unter „Mitarbeiter“.

 

Kommentar zur Strompreisabschöpfung

Liebe Berufskolleginnen und -kollegen,
das Thema Strompreisabschöpfung hat deutlich gezeigt, dass wir im Bauernverband gemeinsam mit den befreundeten Verbänden sehr wohl in der Lage sind, politische Entscheidungen zu beeinflussen, entgegen dem Eindruck einiger Berufskollegen.
Die von Minister Habeck vorgeschlagene Abschöpfung der „Übergewinne“ (die in Wirklichkeit eine Abschöpfung der Stromerlöse ist), war von Anfang an eine sehr fragwürdige Idee. Die Abschöpfung sollte rückwirkend in bestehende und teilweise schon belieferte Verträge eingreifen, ohne Rücksichtnahme auf die sich verändernde Kostenentwicklung. Zudem hatte man wohl im Bundeswirtschaftsministerium nicht erkannt, dass es einen gravierenden Unterschied zwischen dem Abschöpfen von Umsätzen und Gewinnen gibt. Obwohl es inhaltlich ausschließlich um Rückforderung von Umsatzerlösen ging, sprachen die Vertreter des BMWK in der Öffentlichkeit weiterhin von der „Gewinnabschöpfung“.
Im Bauernverband waren wir seit dem 13.09.2022 zu diesem Thema aktiv – zu diesem Zeitpunkt hatte die EU erstmals einen Erzeugerstrompreisdeckel von 20 Cent erwähnt, allerdings war Biogas dort als eine der Branchen benannt, die davon ausgenommen werden können. Darüber, wer nun genau für die Einzelheiten der deutschen Umsetzung und vor allem dafür verantwortlich war, dass Biogas zunächst nicht von der Abschöpfung ausgenommen war, werden wir wohl erst später oder vielleicht nie Klarheit erlangen: War es Finanzminister Lindner, mit seiner panischen Angst vor dem Wort Steuererhöhung? Hoffte Umweltministerin Lemke in ihrer Abneigung gegen die Energiepflanzen, über die Abschöpfung den ungeliebten Maisanbau gleich ganz zu beseitigen? Oder war es wirklich die Unwissenheit im Bundeswirtschaftsministerium (BMWK)? Die Antwort auf einen offenen Brief an das BMWK vom 21.10. lässt vermuten, dass man dort inhaltlich nicht ganz so sattelfest war. Und die Telefonhotline der dafür zuständigen Abteilung „Bürgerdialog“ war im November abgeschaltet.
Es blieben uns aber eine Vielzahl weiterer Maßnahmen, die genutzt wurden: Viele Anlagenbetreiber luden Bundestagsabgeordnete zu sich ein, der Bauernverband Nordharz organisierte eine Videokonferenzen mit einigen Abgeordneten aus Sachsen-Anhalt. Sowohl die Landesverbände als auch der DBV veröffentlichten eine Vielzahl von Kurzvideos von Anlagenbetreibern unter der Überschrift „Bioenergie-statt-Kohle“. Im Austausch mit dem Energieministerium in Magdeburg haben wir mehrfach auf die katastrophalen Folgen der Abschöpfung für den Biogassektor hingewiesen. Selbst die IHK in Halle kämpfte dieses Mal nicht nur für die chemische Industrie. Es gab Demonstrationen vor dem Bundestag in Berlin sowie in Goslar.
Am Ende hatten wir wohl ausreichend Unterstützer gefunden, in fast allen Parteien des Bundestages, so dass durch die im Gesetzgebungsprozess beschlossenen Ausnahmeregelungen (Abschöpfung erst ab 1 MW Bemessungsleistung, getrennte Anrechnung Sat-BHKW) alle landwirtschaftlichen Biogasanlagen nicht mehr davon betroffen sind. Man muss aber auch daran erinnern, dass es – wäre diese Entscheidung nicht so gekommen – wohl zu schmerzhaften Folgen für das deutsche Energie­system geführt hätte. Viele Anlagen­betreiber hatten schon ange­kündigt, dass sie im Falle der Umsetzung der Ab­schöpfung die Anlagen kurz­fristig ganz abstellen würden: Niemand betreibt eine Anlage weiter, bei der die Erlöse geringer als die Kosten sind. Dann hätten in den kalten Tagen Mitte Dezember bis zu 10% der Strommengen gefehlt und in vielen Dörfern hätte man ohne die günstige Biogasnahwärme auskommen müssen.
Trotz des Erfolges, es verbleibt ein fader Nach­geschmack: Das Vertrauen in die Stabilität der Politik schwindet immer weiter. Erst werden über Jahre immer neue Anforderungen (Umwallung, Nox-Logger, SCR-Kat) für die Biogasanlagen beschlossen, ohne dass man nach der Finanzierbarkeit fragt; 2014 führt man eine Absenkung der zulässigen Leistung („Höchstbemessungsleistung“) ein und 2022 denkt man öffentlich darüber nach, ob man nicht auch noch die Erlöse abschöpfen könnte. Zusätzlich wird von den Grünen nach dem anfänglichen Hype in den 2000er Jahren der Energiepflanzenanbau zunehmend in Frage gestellt. Stabile Rahmenbedingungen stelle zumindest ich mir anders vor.
Die Energiewende soll trotz der Konzentration auf die billigen, aber volatilen Energieträger Wind und Sonne technisch funktionieren. Das wird aber nur möglich sein, wenn man alle erneuerbaren Optionen für regelbare, speicher- und spitzenlastfähige Erzeuger weiterentwickelt. Dafür erwartet die Energiepolitik, dass die Biogasanlagen nochmals beträchtliche Gelder in die Flexibilisierung investieren. Das wäre auch der einzig richtige Weg, aber wer kann sich noch darauf verlassen, dass die heutigen Zusagen auch in fünf oder zehn Jahren noch gelten?
Nun sind wir in einem neuen Jahr. Die Zeichen am Energiemarkt zeigen deutlich nach unten – Biogasanlagen werden vermutlich das gesamte Jahr wieder über das EEG vergütet werden. Wir müssen uns deshalb weiterhin bemühen, gemeinsam mit der Politik die Rahmenbedingungen für den Ausbau der Energieerzeugung im ländlichen Raum unter Einschluss der Biogasanlagen auskömmlich zu gestalten. In der Hoffnung, dass uns dies gelingt, verbleibe ich mit den besten Wünschen für das Jahr 2023.
Ihr
Thorsten Breitschuh
Vorsitzender des NAROSSA e. V.

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Kommentar der Verbandsspitze im Informationsheft 10/2022

Liebe Berufskolleginnen und -kollegen,

ein agrarpolitisch ereignisreicher September liegt hinter uns. Allem voran die Agrarministerkonferenz (AMK) in Quedlinburg hat uns beschäftigt, denn unter den insgesamt 40 Themen waren viele gewichtige Punkte. Auf Bundes- und Landesebene gab es Veranstaltungen zum Konflikt zwischen Weidetieren und dem Wolf, der sich weiter ausbreitet. In den Medien hat das Thema vor allem dadurch Aufwind bekommen, dass Anfang September das Pony von Ursula von der Leyen von einem Wolf gerissen wurde.

Es gab noch ein weiteres Thema, das viele von uns beschäftigt hat, nämlich die geplante „Sustainable Use Regulation“ der EU, kurz SUR. Das Ziel dieser Verordnung ist, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in der EU bis zum Jahr 2030 zu halbieren. Seit dem Beginn der politischen Diskussion um die SUR hat sich der Bauernverband auf allen Ebenen dazu eingebracht, mit einem klaren Standpunkt: Wenn die SUR umgesetzt werden sollte, wird die Produktivität unserer Landwirtschaft bis zum Verbraucher hin spürbar verringert, die betriebliche Struktur vieler Landwirte wird einbrechen und große Werte im ländlichen Raum werden vernichtet.

Auf unserer Webseite finden Sie eine umfassende Stellungnahme des Bauernverbandes Sachsen-Anhalt dazu. Diese enthält unter anderem einen Verweis auf das niederländische Modell, welches bei uns in Sachsen-Anhalt in der Börde erprobt wird. In diesem Modell werden Maßnahmen erarbeitet und umgesetzt, die gezielt die Biodiversität stärken, ohne durch pauschale Verbote wahllos in die Arbeit der Landwirtinnen und Landwirte einzugreifen. Es geht bei diesem Ansatz um ein Miteinander von Ökologie und Ökonomie.

Dieses Miteinander kann gelingen, auch im großen Maßstab – wenn uns nicht bei jeder Arbeit eine Schädigung unserer Umwelt unterstellt wird. Deswegen war eine der Forderungen zur Agrarministerkonferenz, die wir mit den Berufskollegen von Bauernbund und LsV, den Waldbesitzern und weiteren Organisationen bei der AMK gestellt haben: Es braucht eine Vertrauenskultur gegenüber Land- und Forstwirten. Diese ist der Politik in weiten Teilen vollkommen abhandengekommen, was besonders daran zu erkennen ist, wie sich manche Politikerinnen und Politiker den zukünftigen bürokratischen Aufwand beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln vorstellen.

Natürlich ging es bei der Agrarministerkonferenz um mehr Themen als den Pflanzenschutz. Steigende Energiepreise setzen unsere Betriebe unter Druck, insbesondere die Tierhalter, die zeitgleich mit Marktverwerfungen, Fachkräftemangel und nach wie vor Corona und den daraus resultierenden Ausfällen von Mitarbeitern oder Kollegen zu kämpfen haben. Dennoch will die Bundesregierung die Tierhaltung in Deutschland umbauen. Das BMEL will den Umbau forcieren, obwohl viele fundamentale Aspekte nicht geklärt sind, unter anderem die Finanzierung.

Die vor Jahren maßgeblich dafür initiierte Borchert-Kommission hat im September vom Bundes­land­wirtschafts­minister Özdemir ein neues Mandat erhalten. Dieses hat sie angenommen, um postwendend zu verkünden, dass ihre Arbeit pausieren wird. Die Kommission erklärte, die Arbeit so lange ruhen zu lassen, bis die Bundesregierung eine Lösung dafür gefunden hat, wie sie den Umbau der Nutztierhaltung finanzieren will. Der politisch angestrebte Umbau wird der Kommission zufolge mehrere Milliarden Euro im Jahr kosten. Das Bundeslandwirtschaftsministerium will die Pläne mit insgesamt einer Milliarde Euro in den kommenden vier Jahren unterstützen. Es braucht nicht viel Fantasie, um zu erraten, wer die Mehrkosten am Ende tragen soll.

Neben der Finanzierung ist unklar, ob ein heute gebauter Stall in wenigen Jahren den sich politisch ändernden Standards noch entspricht. Es kann nicht erwartet werden, dass Ställe, die einen Amortisierungszeitraum von 15 oder 20 Jahren bräuchten, ohne politische Sicherheit gebaut werden – wenn sie denn genehmigt würden, woran es bekanntlich auch massiv hakt. Die Bundesregierung schafft es trotz großer Worte nicht, eine Zukunftsperspektive für die landwirtschaftlichen Betriebe aufzuzeigen. Das liegt insbesondere daran, dass an pauschalen Vorhaben wie dem 30-Prozent-Ziel im Ökobereich festgehalten wird. Das liegt aber auch daran, dass sie nicht schafft, eine transparente Kommunikation in der Branche aufzubauen.

Dazu würde zum Beispiel gehören, dass ehrlich benannt wird, wie viel der politische Umbau der Tierhaltung in Deutschland kosten soll – und wie viel davon die Landwirtinnen und Landwirte aufgebürdet bekommen, trotz der rasanten Kostensteigerungen. Unsere Betriebe mit mehreren Milliarden Euro Mehrkosten zu belasten, ohne politische Planungs­sicherheit, das kann nicht mitgetragen werden. Wenn der Bundeslandwirtschaftsminister sich dann im Rahmen der AMK als „Freund der Bauern“ präsentieren will, darf es diesen nicht wundern, wenn er keinen Applaus erhält.

Wir erwarten von der Bundesregierung ein klares Bekenntnis zu einer zukunftssicheren, produktiven Landwirtschaft in Deutschland und damit der vielfältigen Absicherung von Versorgungssicherheit mit Nahrungsmitteln. Das wird nicht mit Verboten erreicht.

Ihr Olaf Feuerborn

Blick ins Heft:

DBV logo

DBV-Faktenchecks

Was passiert wirklich auf den Feldern und im Stall? Was steckt hinter Gewässerschutz, Tierwohl und Agrarexporten? Die DBV-Faktenchecks gehen wichtigen gesellschaftlichen Fragen zur Landwirtschaft nach und räumen mit so manchem Vorurteil auf.

Zum Beispiel:Behauptet wird, dass die Tierhaltung immer weiter ausgeweitet wird.
Tatsache ist, dass die Tierhaltung in Deutschland geringer als vor 60 Jahren.

Fakten:

  • Langfristig gesehen ist in Deutschland vor allem die Rinderhaltung, aber auch die Pferdehaltung (Zugtiere) deutlich geschrumpft.
  • Noch vor 100 Jahren waren ca. 25 % der Landwirtschaftsfläche zur Fütterung der Zugtiere notwendig.
  • Bezogen auf Großvieheinheiten werden heute in Deutschland deutlich weniger Nutztiere als vor 60 Jahren gehalten.
  • Die Bauern haben ihre Tierhaltung an die geänderte Nachfrage angepasst. Die Schweineund Geflügelhaltung ist daher gewachsen.
  • Der Trend zu mehr Geflügelfleisch hängt auch mit der günstigen Futterverwertung zusammen: In Mastbetrieben ist heute etwa 1,8 kg Futter notwendig, um 1 kg Hähnchenfleisch zu erzeugen.
  • Weltweit soll der Fleischverbrauch von derzeit 313 Millionen Tonnen auf 346 Millionen in 2022 steigen (Quelle: FAO).
  • Der weltweite Pro-Kopf-Verbrauch liegt bei 43 Kilogramm Fleisch jährlich –Tendenz steigend.
  • Knapp 10 % des globalen Fleischverbrauches werden grenzüberschreitend gehandelt

Alle DBV-Faktenchecks finden Sie HIER.

Kundgebung zur AMK in Quedlinburg

Aufruf: Noch existiert unsere Landwirtschaft hier vor Ort – wir brauchen umsetzbare Antworten auf unsere existenziellen Zukunftsfragen!

Vom 14. bis 16.09 findet in Quedlinburg die Agrarministerkonferenz statt. Wir erwarten Antworten für eine nachhaltige landwirtschaftliche Politik, die für Ernährungs- und Versorgungssicherheit sorgt.
Am Freitag wird eine Kundgebung stattfinden. Wir wollen alle Landwirtinnen und Landwirte dazu aufrufen, daran teilzunehmen.

Wann?   Freitag, Sammeln um 12:30

Wo?       Marktplatz Quedlinburg

Zu Parkplätzen findet Ihr HIER eine Übersicht. Wenn möglich sollten Fahrgemeinschaften gebildet werden, damit auch alle einen Parkplatz finden.

 

Für alle, die noch an dem Trecker-Korso ab 10:00 teilnehmen möchten: Tragt Euch in die Doodle-Liste ein, weitere Informationen werden Euch zugeschickt. Alternativ könnt Ihr euch telefonisch bei eurer Kreisgeschäftsstelle des Bauernverbandes oder beim Bauernbund melden.

Bild von der Mahnwache vor dem Rathaus, die Agrarminister tagen ganz in der Nähe.

Was die Aussetzung der erweiterten Stilllegung 2023 für Sachsen-Anhalt bedeutet

4 Prozent – um diese Zahl haben die Agrarminister der Länder, das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) von Cem Özdemir und unsere Landwirte in den vergangenen Monaten diskutiert.

Ursprünglich war vonseiten der EU vorgesehen, dass Landwirte ab 2023 von ihrer Ackerfläche 4 Prozent stilllegen müssen, um für die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) förderberechtigt zu bleiben. Solche stillgelegten Flächen dürfen durch den Landwirt nicht für den Anbau von Weizen, Raps oder anderen Kulturen genutzt werden. Die EU-Kommission hatte vor dem Hintergrund des Kriegs in der Ukraine beschlossen, dass die Mitgliedsstaaten diese Vorgabe ein Jahr lang aussetzen können. Dagegen hatte sich Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir lange verwehrt. Bereits seit März wurde die Aussetzung neuer Stilllegungen gefordert, von Landwirten und vielen Länder-Agrarminister wie Sachsen-Anhalts Minister Sven Schulze.

Anfang August hat das BMEL bekannt gegeben, dass es einen Vorschlag an die Länder gebe, der eine Aussetzung der erweiterten Flächenstilllegung enthält. Auf den vorgesehenen Flächen soll weiterhin ein landwirtschaftlicher Anbau möglich sein. Dabei sind Flächen, die in den Jahren 2021 und 2022 bereits freiwillig stillgelegt wurden, davon ausgeschlossen. Durch diese Entscheidung werden die bereits etablierten Stilllegungen nicht weniger. Wissenschaftlichen Berechnungen zufolge können durch diese Maßnahme 100.000 bis 180.000 Hektar weiter für den Anbau von Lebensmitteln genutzt werden, so die Erläuterung des BMEL.

In Sachsen-Anhalt sind bereits jetzt 2,3 Prozent der Ackerflächen stillgelegt, das entspricht 22.280 Hektar. Mit der Vorgabe von 4 Prozent Stilllegung wäre diese Zahl auf knapp 39.000 Hektar gestiegen. Weil diese Vorgabe ein Jahr ausgesetzt wird, bleiben rund 16.720 Hektar weiter in der Bewirtschaftung. Auf dieser Fläche dürfen die Landwirte 2023 u.a. Weizen, Roggen, Erbsen und Sonnenblumen anbauen.

Wenn im kommenden Jahr auf der Hälfte dieser 16.720 Hektar Weizen angebaut wird, kann das bei Anbaubedingungen wie in diesem Jahr zu 50.000 Tonnen Weizen führen. Bei guten Bedingungen, also wenig Hitze und mehr Regen, ist auch deutlich mehr möglich. Und das gilt allein für Sachsen-Anhalt. Damit kann unsere Landwirtschaft einen wichtigen Beitrag zur Ernährungssicherheit leisten.

Für die landwirtschaftlichen Praktiker ist jetzt zum einen wichtig, dass die Ankündigung des Bundeslandwirtschaftsministers schnell rechtlich festgeschrieben wird. Zum anderen darf die Bundespolitik für die einjährige Aussetzung nicht andere, bestehende Vorgaben an die Landwirte zusätzlich erhöhen.

Stilllegungen haben das „Ziel des Erhalts und der Steigerung der Biodiversitätsleistungen“, so die Begründung des BMEL. Dies sehen viele Landwirte kritisch und würden lieber kooperativ Maßnahmen umsetzen. Statt Flächen stillzulegen und zu hoffen, dass diese der Biodiversität nützen, können Landwirte auch aktiv Maßnahmen umsetzen. Dadurch könnten Tier- oder Pflanzenarten gezielt unterstütz werden. Projekte dazu gibt es bereits, in Sachsen-Anhalt betreut durch die Stiftung Kulturlandschaft Sachsen-Anhalt.