Die wirtschaftliche Entwicklung im ländlichen Raum war Schwerpunktthema der Präsidiumssitzung des Bauernverbandes Sachsen-Anhalt e.V. am 14. Juni 2017 in Bernburg-Strenzfeld. Insbesondere der Einfluss politischer Entscheidungsträger auf die Ökonomie der Landwirtschaft als Rückgrat des ländlichen Raums stand in vielen Punkten im Fokus der Diskussion unter den 85 Teilnehmern. Die Themenfelder Wolf, Sauenhaltung, EU-Agrarförderung und Düngung diskutierten die Präsidiumsmitglieder mit dem Abteilungsleiter des Agrarministeriums, Dr. Ekkehard Wallbaum. Ministerin Prof. Dr. Claudia Dalbert konnte die Einladung des Verbandes aufgrund weiterer Termine nicht wahrnehmen.
Dringenden politischen Handlungsbedarf sehen vor allem die Tierhalter im Land. Nach dem sogenannten Kastenstandsurteil sind sauenhaltende Betriebe von Kontrollbehörden angehalten in Umbauten der Ställe zu investieren. Doch welche Haltungsbedingungen konkret künftig zulässig sind, ist nach wie vor nicht geklärt. Vorstandsmitglied und Vorsitzender des Fachausschusses Schwein im Bauernverband, Joachim Klette, wies auf die massiven Wettbewerbsverzerrungen hin, die durch den unterschiedlichen Umgang der Behörden in Deutschland mit der Rechtslage entstehen. Zudem hat das Land Sachsen-Anhalt aktuell die Investitionsförderung für den tierwohlfördernden Umbau der Sauenställe gesperrt. Zu befürchten sei ein weiterer Rückgang der Sauenhaltung im Land verbunden mit dem Verlust von Arbeitsplätzen und Wertschöpfung im ohnehin strukturschwachen ländlichen Raum. Gefordert sind jetzt pragmatische politische Lösungen, um den Sauenhaltern eine Perspektive und Unterstützung für Investitionen in die Zukunft zu geben.
Ebenso zügiges Handeln ist beim Wolf nötig. Wie vorhergesagt nehmen die Wolfsrisse in Nutztierbeständen trotz besseren Herdenschutzes zu und übertreffen zur Jahresmitte schon die Zahl des Vorjahres. Die Deckelung von Rissentschädigung und Präventionsförderung sowie die Verweigerung des reellen ökonomischen Schadensausgleichs bringen die ersten Weidetierhalter an die Existenzgrenze. Die Forderung des Bauernverbandes nach einer aktiven Bestandsregulierung muss erfüllt werden, will man verhindern, dass Rinder und Schafe als Landschaftspfleger aus touristisch attraktiven Grünlandregionen für immer verschwinden.
Kritisiert wurde von den Präsidiumsmitgliedern auch die möglichen weiteren Umschichtungen von EU-Geldern weg von den Direktzahlungen hin zu Fördertöpfen der ländlichen Entwicklung. Die vergangenen wirtschaftlichen Krisenjahre haben gezeigt, wie einkommensstützend die Zahlungen aus Brüssel für alle Betriebsgrößen und -formen sind. Die Umschichtung sei reine Symbolpolitik und schade der Landwirtschaft, zumal schon in der letzten Förderperiode Probleme bestanden, Gelder fristgerecht einzusetzen und aus Strukturfonds Millionenbeträge zurück nach Brüssel überwiesen werden mussten.
Wolfgang Beer, Vorsitzender des Pflanzenbauausschusses, warnte vor weiteren unsachlichen Restriktionen bei Düngung und Pflanzenschutz im Ackerbau. Man könne auch von einer grünen Ministerin erwarten, dass sie die komplexen Zusammenhänge der Arbeit in der Natur sachlich bewertet. Allein das Verbot der neonikotinoiden Saatgutbeize im Rapsanbau und die dadurch notwendige Ausweitung der insektiziden Pflanzenschutzmaßnahmen zeigt, dass politische Entscheidungen oft verfehlt sind und gravierende Auswirkungen auf die Wirtschaftlichkeit und die Ökologie haben. Ähnliche Folgen erwarten Fachleute durch die neuen Düngeregelungen, die einerseits den Brotgetreideanbau unmöglich machen, aber andererseits aufgrund der geologischen Besonderheiten und Wetterbedingungen in Mitteldeutschland zu keiner Änderung der Nitratkonzentrationen im Grundwasser führen werden.
Einen wesentlichen Teil der Diskussion im Präsidium nahm die in der nächsten Woche beginnende Leitbilddebatte des Agrarministeriums ein. In vier Arbeitsgruppen bildet sich der Bauernverband eine Position zu einer Entwicklungsperspektive der Landwirtschaft in Sachsen-Anhalt in den Bereichen Boden, Tierhaltung, Umwelt und Markt. In seinem Schlusswort mahnte Bauernpräsident Feuerborn in einem Appell an Ministerin Dalbert, dass wenn mehr Zeit gebraucht wird, um sich in strittigen Themen auf gemeinsame Positionen im Leitbild zu einigen, man sich diese auch nehmen sollte, um am Ende eine tragbare Lösung für alle zu haben.
Neben dem 18-köpfigen Landesvorstand des Bauernverbandes und den 40 assoziierten und fördernden Mitgliedern aus landwirtschaftlichen Fachverbänden und mit der Landwirtschaft verbundenen Organisationen waren sämtliche Vorstände der Kreisbauernverbände zur Veranstaltung geladen.