Bundestagsabgeordnete besuchen Agrargesellschaft Riestedt: Diskussion über Änderungen des Tierschutzgesetzes

Die Bundestagsabgeordneten Ingo Bodtke (FDP) und Katrin Budde (SPD) besuchten am 17. September 2024 die Agrargesellschaft Riestedt. Betriebsleiter Torsten Wagner führte durch den Betrieb, stellte die Abläufe der Tierhaltung vor und betonte, dass das Wohl der Tiere für den Betrieb höchste Priorität habe. Ein Tierhalter mit langer Erfahrung kennt seine Tiere und weiß, dass nur gesunde Tiere gute Leistungen erbringen können.

Im Mittelpunkt des Besuchs stand die Diskussion über die geplanten Änderungen des Tierschutzgesetzes. Frau Katharina Nyenhuis, Schweinehalterin und Tierärztin, sowie Mitarbeiterinnen des Bauernverbandes Sachsen-Anhalt e.V. und Betriebsleiter Wagner konnten aus fachlicher Sicht verdeutlichen, dass die geplanten Änderungen des Tierschutzgesetzes unverhältnismäßig sind. Insbesondere die vorgesehene Erweiterung der Dokumentationspflichten und der zusätzliche Aufwand für Landwirte und Tierärzte durch die Einführung einer Betäubungspflicht beim Enthornen wurden kritisiert. Ob mit einer Umsetzung tatsächlich ein Mehrwert für das Tierwohl geschaffen würde, bewerten die Praktiker sehr kritisch.

Trotz vieler Hinweise aus dem Berufsstand wurde die Praxisnähe der geplanten Maßnahmen bei vielen Punkten des Gesetzesentwurfes nicht berücksichtigt. Durch unpräzise Formulierungen, geringe Übergangsfristen und nicht umsetzbare, vorgesehene Verfahren, wie das Einführen verpflichtender Abkalbe-Boxen mit fest definiertem Zeitfenster zur Nutzung tragender Rinder, die Überwachung von Tierkörperbeseitigungseinrichtungen und verschärfte Detailregelungen zur Reduktion des Schwanzkupierens in der Schweinehaltung wird die Nutztierhaltung erneut massiv beeinträchtigt.

Die Abgeordneten haben sich während des Rundgangs durch die Ställe einen Eindruck von der Tierhaltung und den Auswirkungen des Gesetzesentwurfes verschaffen können. Wenn die Tierhaltung in Sachsen-Anhalt eine Zukunft haben soll, dürfen die Betriebe nicht mit immer neuen Einschränkungen belastet werden.

Bild v. l. n. r.: MdB Katrin Budde, Torsten Wagner, MdB Ingo Bodtke, Kreisgeschäftsführerin Ulrike von Angern

 

Kommentar der Verbandsspitze im Informationsheft 10/2023

Liebe Leserinnen und Leser,
bei dem Begriff „Landwirtschaft“ denken die meisten an den Ackerbau. Nicht weniger wichtig für die Landwirtschaft ist aber die zweite Säule, die Tierhaltung. Die Zahl der Tierhalter hierzulande wird jedoch kontinuierlich geringer. Dieser Trend ist nicht nur für die Landwirtschaft eine schlechte Nachricht, sondern für alle Menschen in Sachsen-Anhalt, denn es macht uns gesellschaftlich, ökologisch und kulturell ärmer.
Rinder und Schafe sind Landschaftspfleger. Ihre Rolle in der Kulturlandschaft kann nicht überbewertet werden. In Sachsen-Anhalt tragen sie maßgeblich zur Erhaltung und Gestaltung unserer einzigartigen Kulturlandschaften bei. Sie halten nicht nur Wiesen und Weiden kurz, sondern sie verhindern auch das Zuwuchern von Flächen mit unerwünschter Vegetation. Diese Bewirtschaftung trägt dazu bei, dass unsere Landschaften so aussehen, wie wir sie kennen und schätzen – gepflegt und offen.
Währenddessen verwerten die Tiere Pflanzen, die nicht für die menschliche Ernährung geeignet sind. Viele Teile von Pflanzen, die für den Menschen nicht direkt nutzbar sind, können von Tieren verwertet werden. Durch die Verfütterung an Rinder und Schweine können beispielsweise Nebenerzeugnisse aus der Pflanzenöl-Produktion genutzt werden. Dies trägt zur Effizienz der Landwirtschaft bei, da diese Tiere pflanzliche Materialien in wertvolle tierische Produkte wie Fleisch und Milch umwandeln. Darüber hinaus spielen die Tiere eine wichtige Rolle in der Kreislaufwirtschaft. Sie produzieren natürlichen Dünger, der wiederum zur Düngung von Feldern verwendet werden kann. Dies reduziert die Notwendigkeit von mineralischen Düngemitteln und trägt zur Regionalität unserer Landwirtschaft bei.
Besonders in Sachsen-Anhalt sind Rinder und Schafe in der Landwirtschaft von großer Bedeutung. Die traditionelle Beweidung von Flächen spielt eine zentrale Rolle in dieser Region und prägt das Landschaftsbild entscheidend. Die Weiden entlang der Elbe, in der Harzregion, der Altmark und viele andere Teile des Landes wären ohne die Beweidung durch Rinder und Schafe nicht das, was sie heute sind. Diese Tiere helfen dabei, die charakteristischen Flächen zu erhalten und schaffen Lebensraum für zahlreiche andere Pflanzen- und Tierarten. Denn neben der landschaftlichen Bedeutung tragen Rinder und Schafe besonders auch zur Artenvielfalt bei. Die Beweidung von Grünlandflächen fördert eine reiche Vielfalt an Pflanzenarten. Diese wiederum bieten Nahrung und Lebensraum für viele Insekten, Vögel und andere Tiere. Die Bewirtschaftung von Grünland schafft ökologische Nischen, von denen viele bedrohte Arten profitieren. Ohne die Weidetiere würde diese Vielfalt nach und nach verschwinden.
Nicht vergessen werden darf, dass die Tierhaltung auch eine soziale und kulturelle Bedeutung hat. Sie ist tief in die Tradition und Geschichte der Region verwurzelt, Viehzucht hat Generationen von Menschen in Sachsen-Anhalt ihren Lebensunterhalt gesichert und eine starke Bindung zur Landwirtschaft geschaffen. Die Arbeit mit den Tieren prägt das kulturelle Erbe vieler Familien, wie zuletzt beim Landeserntedankfest in Magdeburg zu sehen war.
Die noch bestehende Tierhaltung hierzulande am Leben zu halten, ist aus den genannten Gründen sehr wichtig und ist aus meiner Sicht eine wichtige und gesellschaftliche Aufgabe. Die verbleibenden Tierhalter stehen nämlich vor enormen Herausforderungen. Wer Tierhaltung hat, ist pro Woche meist ein bis zwei Tage nur mit Bürokratie beschäftigt. Wenn man selbst die Verarbeitung macht und vielleicht sogar eine eigene Vermarktung hat, steigen bürokratische Nachweispflichten sowie die Zahl der Prüfungen und Kontrollen noch weiter an. Dem gegenüber stehen Erzeugerpreise, die besonders bei Schafhaltern schon lange nicht mehr die Kosten decken. Für Schweinehalter und Milch-Betriebe ist die wirtschaftliche Situation seit Jahren ein Drahtseilakt, der viele zum Aussteigen bringt.
Es reicht nicht, wenn Politik sich zur regionalen Tierhaltung bekennt und Verbraucher sich diese wünschen. Politiker müssen sich auf allen Ebenen spürbar dafür einsetzen und Verbraucher müssen regionale Produkte kaufen, wenn diese (noch) da sind. Dann können Tierhalterinnen und Tierhalter auch mit gutem Gewissen in neue Haltungsformen investieren und den Hof an die nächste Generation weitergeben. Die Bäuerinnen und Bauern würden es liebend gerne tun!
Susann Thielecke
Vizepräsidentin Bauernverband Sachsen-Anhalt e.V.

Blick ins Heft:

1. Juni ist Tag der Milch

Es ist ein Wunder und ein Geschenk der Natur: Kühe verwandeln Gras und andere Pflanzen, die für Mensch und Tier kaum Nährwert haben, in Milch. Die Milch ist eine wichtige Nahrungsquelle und enthält wertvolle Nährstoffe wie Protein, Kalzium und Vitamine. Aus diesem Grund reicht die gemeinsame Geschichte von Rind und Mensch schätzungsweise 10.000 Jahre zurück. Kühe und ihre Milch haben dazu beigetragen, dass die Menschen sesshaft werden konnten.

Auch heutzutage sind Milchkühe ein wichtiger Teil der Landwirtschaft, zum einen wegen der Milch, zum anderen durch ihre Bedeutung für die Kreislaufwirtschaft. Kühe produzieren nebenbei Mist und Gülle, die wichtiger Dünger für die Pflanzen auf den Äckern sind, beispielsweise für Weizen und Raps oder auf dem Grünland. So trägt die Haltung von Milchkühen dazu bei, dass die Rohstoffe für Mehl und Pflanzenöl heranwachsen. Die Kühe wiederum können sogar Nebenprodukte wie Rapsextraktionsschrot verwerten, das bei der Gewinnung von Rapsöl entsteht. Nicht zuletzt sind Kühe und Weidetiere insgesamt wichtig für die Landschaftspflege. Durch das Beweiden helfen sie, die Vegetation zu kontrollieren und eine vielseitige Landschaft zu erhalten, was wiederum die Artenvielfalt fördern kann.

Wie wir uns ernähren, wird zunehmend emotional und hitzig diskutiert. Durch die Dürre gab es immer wieder Versuche von Tierhaltungsgegnern, die Milch als klimaschädlich abzustempeln. Behauptet wird, es würden hunderte Liter Wasser „verbraucht“, um einen Liter Milch zu erhalten. Dabei wird dann gerne das Regenwasser auf der Weide einberechnet, das natürlich nicht „verbraucht“ wird, sondern Teil des Kreislaufes bleibt.

Christian Schmidt ist Geschäftsführer der Agrargesellschaft Siedenlangenbeck, der Betrieb hält 650 Milchkühe, und ist Vorsitzender des Milch-Fachausschusses im Bauernverband Sachsen-Anhalt. Er kommentiert: „Gerade in Regionen mit viel Grünland wie in der Altmark oder entlang der Elbe sind Milchkühe ein wichtiger Teil der Wertschöpfungskette, um Gras zu verwerten. Sie sichern auch viele Arbeitsplätze in Handwerk, Verarbeitungsindustrie und Handel. Das Ganze wird den Menschen in der Milcherzeugung nach den guten Preisen 2022 inzwischen wieder nicht mehr ausreichend honoriert, da der Milchpreis auf 38 Cent gefallen ist. Das reicht nicht, um eine Teilhabe an der Lohnentwicklung vieler anderer Branchen zu sichern und die Inflation für die Mitarbeiter zu kompensieren, die auch an Wochenenden, Feier- und Brückentagen ihre Arbeit verantwortungsvoll leisten. Bemerkenswert ist, dass daneben die Margen des Handels selten so groß waren wie derzeit.“

Hintergrund: Der Internationale Tag der Milch wurde 1957 von der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) und dem Internationalen Milchwirtschaftsverband (IDF) ins Leben gerufen, um auf das hochwertige Grundnahrungsmittel Milch und deren Erzeugung weltweit aufmerksam zu machen. In Deutschland erzeugen aktuell etwa 53.000 Milchviehhalter mit 3,8 Mio. Kühen rund 32 Mio. Tonnen Rohmilch für die Weiterverarbeitung durch die Molkereien zu hochwertigen Milchprodukten.

Wir können mehr!

Die Landwirtschaft in Sachsen-Anhalt ist vielfältig und modern. Neue Arbeitsweisen, bessere Sorten und innovative  Technik haben die Arbeit unserer Landwirtinnen und Landwirte immer effizienter und nachhaltiger werden lassen.

Viele Mitbürger haben demgegenüber ein z.T. verklärtes Bild über unsere heutige Landwirtschaft. Unsere Landwirtschaft ist mit ihren unterschiedlichen, kostenintensiven und oft hochkomplexen Produktionsrichtungen in den letzten Jahrzehnten aber nicht stehengeblieben, sondern hat sich weiterentwickelt – sie ist heute nicht nur leistungsfähiger, sondern auch anspruchsvoller als je zuvor. Mit einfachen politischen Botschaften kommen wir da nicht weiter und werden den gestellten Anforderungen nicht gerecht. Wir wollen aufzeigen, wie vielfältig unsere Branche ist, wenn man sie lässt. Denn wir können mehr!

Anfang Mai haben wir ein Plakat vor dem Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft und Energie (MULE) in Magdeburg anbringen lassen. Für die kommenden Wochen und Monate sind weitere Aktionen in Planung. Wir wollen zeigen, wie unsere Landwirtschaft tatsächlich ist und was Landwirtinnen und Landwirte für unsere Gesellschaft leisten.

Wenn Sie mehr erfahren möchten, finden Sie weitere Infos unter www.mehrkönnen.de

Wenn Sie eines der verschiedenen Motiv anbringen wollen, finden Sie das Formular für die verschiedenen Motive und Formate HIER.

Sie haben Fragen oder Anregungen zu „Wir können mehr!“? Schreiben Sie uns unter mitgliedschaft@bauernverband-st.de

Weidetierhaltung schützen!

Zum letzten Freitag im April hatte der Deutsche Bauernverband Stimmen von Weidetierhaltern gesammelt. Grund dafür war ein von Wolfs-Befürwortern ausgerufener „Tag des Wolfes“ – der bei Weidetierhaltern auf Gegenwehr und Unverständnis gestoßen ist. Die Tierhalterinnen und Tierhalter in Wolfsgebieten müssen nämlich jeden Tag um ihre Tiere bangen. Noch mehr Videos dazu finden Sie auf der Youtube-Seite des DBV.

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Sauenhaltung im Land braucht politisches Bekenntnis zur Fortführung

Seit Jahren wird über die Zukunft der Tierhaltung vor dem Hintergrund ständiger Anpassungen in der Tierschutznutztierhaltungsverordnung in Deutschland politisch gestritten. Besonders bei der Haltung von Zuchtsauen gehen dabei praktische Realität und politische Vorstellungen immer weiter auseinander. Zuletzt hatten Äußerungen des Ministeriums für Umwelt, Landwirtschaft und Energie (MULE) für Verärgerung bei den Sauenhaltern in Sachsen-Anhalt gesorgt. Ministerin Prof. Dr. Claudia Dalbert erklärte zum Umbau der Sauenhaltung, dass sie bei Betrieben mit Zuchtsauen nur Gruppenhaltung für förderwürdig hält, nicht aber die Modernisierung von Betrieben mit Kastenständen.

Ein mühsam ausgehandelter Kompromiss wurde im Bundesrat erneut von grünen Landesministern untergraben und kam nicht zur Abstimmung. Deshalb herrscht weiterhin Ungewissheit für Sauenhalter. Der Kompromiss sollte wichtige Punkte regeln, wie den Zeitrahmen der Umstellung und deren finanzielle Unterstützung. Bei den Tierhaltern besteht wenig Vertrauen darin, dass die teure Umstellung maßgeblich finanziell begleitet wird. Unabhängig davon bleibt die Frage, ob eine bedingt durch höhere Auflagen verteuerte Schweineproduktion in einem preissensiblen Markt überhaupt vermarktungsfähig ist.

Marcus Rothbart, Hauptgeschäftsführer des Bauernverbandes Sachsen-Anhalt e.V., erklärt: „Ein deutscher, und im europäischen Vergleich restriktiverer, Sonderweg ist für viele Sauenhalter der wirtschaftliche Sargnagel. Sauenhaltung in Sachsen-Anhalt ist für einen funktionierenden, landwirtschaftlichen Wirtschaftskreislauf wichtig. Wir brauchen sehr zeitnah wirtschaftlich tragbare und politisch-verlässliche Lösungen, die den Sauenhaltern und ihren Mitarbeitern in Sachsen-Anhalt nachhaltige Produktionsperspektiven geben.“

Immer dann, wenn von Seiten des MULE und weiteren grün-geführten Landwirtschaftsministerien anderer Bundesländer neue Wege in der Landwirtschaft gefordert werden, fehlt, insbesondere bei der Tierhaltung, konsequent die Berücksichtigung wirtschaftlicher Auswirkungen und die Perspektive für die mit Tierhaltung befassten Menschen. Aktuell besteht nur die Verlässlichkeit, dass regionale Sauenhalter einen Ausstieg aus der Produktion selbst zahlen und sich die Zahl der Tierhalter verringert. Es hilft nicht, wenn man regionale Landwirtschaft und Produktionsketten fordert, aber diese mit kompromissunfähiger politischer Kostentreiberei an die Wand fährt.

Wolfskompetenzzentrum wird Weidetierhaltung nicht retten

Das Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft und Energie (MULE) hat die aktuellen Fördermodalitäten zum Schutz von Weidetieren wie Schafen oder Rindern vor dem Wolf veröffentlicht. Die neuen Regelungen bedeuten für Tierhalter noch mehr Bürokratie und persönlichen Aufwand, werden aber nicht zu weniger Rissen durch Wölfe führen.

Seit Bestehen des Wolfskompetenzzentrums in Iden (WZI) gibt es Beratungen zum Zaunbau, die der Sicherung der Weidetiere vor Wolfsübergriffen dienen sollen. Öffentlich wurde dies bisher als sehr erfolgreich dargestellt. Zukünftig sind Antragsteller von Förderungen zum Weidetierschutz verpflichtet, an einer Schulung über wolfsabweisende Zäune teilzunehmen. Nur wer eine Schulung beim WZI besucht oder einen ähnlichen Nachweis erbringen kann, kann auch eine Förderung für Zäune erhalten. Dies sorgte bei vielen Tierhaltern für Unverständnis, denn es gelten bereits Regeln für die – vermeintlich sicheren – Zäunungen.

Neu aufgesattelte Rechtfertigungsbürokratie wird vorschriftsmäßige Zäune nicht „noch wolfssicherer“ machen. Die bisherigen Risse 2020 zeigen: Zäune und Beratungen allein wirken nicht. 171 gerissene Nutztiere seit Jahresbeginn, knapp so viele wie jeweils im gesamten Jahr 2017 oder 2018. Im Vorjahr gab es insgesamt 247 gerissene Tiere bei 69 Übergriffen durch Wölfe. Die Zahlen der Übergriffe und Risse werden weiter steigen, auch bei mehr Schulungen des WZI. Nicht eine mangelnde Beratung der Tierhalter ist der Grund für die steigende Zahl getöteter Tiere, sondern mangelndes Handeln bei zuständigen Institutionen.

Gut beraten wäre das MULE, sich nicht weiter gegen die jüngste Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes zu stemmen. Diese Änderung hat einen Rahmen zur Entnahme bei wiederholten Wolfsübergriffen geschaffen. In Sachsen-Anhalt ist die Entnahme von verhaltensauffälligen Wölfen weiterhin nur in der Theorie möglich, solange nicht Menschen in Gefahr sind oder großer „Schaden für die Akzeptanz der Wölfe“ abgewendet werden soll, wie es in der Leitlinie Wolf des MULE heißt. Diese Akzeptanz schwindet jedoch auch, wenn dem Wolf weiterhin ein genereller Vorzug vor Weidetieren und deren Haltern eingeräumt ist.

 

Einheitliche Regelung beim Wolf notwendig

Als einen Schritt in die richtige Richtung haben viele Weidetierhalter die Entscheidung des Bundesrates gewertet, eine Änderung des Naturschutzgesetztes hinsichtlich des Wolfes zu erlauben. Demnach kann den Abschuss von Einzeltieren oder mehreren Tieren aus dem Rudel erlaubt werden, wenn diese Menschen bedrohen oder durch sie ernste Schäden entstehen. Erlaubt ist der Abschuss künftig, wenn unklar ist, welcher Wolf Herdentiere angegriffen hat. Hören die Nutztierrisse nicht auf, dann ermöglicht das Gesetz, weitere Rudeltiere zu entnehmen, um Schäden abzuwenden.
Diese Neureglungen zum Abschuss sollen die Sorgen der Bevölkerung, die Interessen der Weidetierhalter und den Schutz der Wölfe als streng geschützte Tierart in einen angemessenen Ausgleich bringen, heißt es in der Gesetzesbegründung. Die Reaktion des Ministeriums für Umwelt, Landwirtschaft und Energie dazu war Ablehnung. „In Sachsen-Anhalt gilt weiterhin die Leitlinie Wolf“, kommentierte Umweltministerin Prof. Dr. Claudia Dalbert die Bundesratsentscheidung.
Laut der Leitlinie des Landesministeriums ist die Entnahme eines Wolfes auch möglich, zumindest in der Theorie. Ein verhaltensauffälliges Tier müsste erst identifiziert werden. Anschließend soll dieser bestimmte Wolf wiederholt unangenehmen Reizen ausgesetzt werden, denn für „eine erfolgreiche Vergrämung ist es wichtig, dass immer dasselbe verhaltensauffällige Tier dieser Lernerfahrung ausgesetzt werden kann.“
Wie das aussieht, wenn ein Wildtier in weiter Flur gezielten „Lernerfahrungen“ ausgesetzt werden soll, ist unklar. Klar ist hingegen, dass Sachsen-Anhalts Umweltministerin die Änderungen im Bundesnaturschutzgesetz nicht gedenkt zu berücksichtigen. Ihre Strategie bleibt unverändert, obwohl die letzten Risszahlen sehr hoch sind. Erst bei einem „unverhältnismäßig hohen finanziellen und emotionalen Schaden“ die Entfernung eines Wolfes überhaupt in Erwägung zu ziehen, ist jedoch nicht ausreichend.
Wir fordern ein Umdenken, zum Schutz der Weidetiere und der Erhaltung der Kulturlandschaft, Entscheidungen auf Bundesebene müssen auch auf Landesebene gelten. Der Wolf ist lernfähig und effizient. Hat er begriffen, dass Schafe leichtere Beute als Rehe sind, wird man ihm dies nicht wieder „aberziehen“ können und höhere Zäune allein werden die Weidetierhaltung in Sachsen-Anhalt nicht sichern.

Wolf bleibt Problem

Vor kurzem wurden in Meitzendorf bei Magdeburg elf Schafe gerissen, ein weiteres musste notgeschlachtet werden. Die tödlichen Kehlbisse bei den Schafen weisen auf einen Wolf hin, die offizielle Ursache muss durch das Wolfskompetenzzentrums (WKZI) in Iden bestätigt werden. Im Januar sind landesweit 65 gerissene Tiere gemeldet worden, deren Halter nun auf Meldung warten müssen – ob es auch offiziell ein Wolf gewesen ist.

In Sachsen-Anhalt ließen 2019 mindestens 148 Tiere bei 51 Angriffen ihr Leben, für 59 weitere Nutztiere konnte nicht bestimmt werden, ob ein Wolf der Verursacher war. In Deutschland sind 2018/2019 offiziell 105 Rudel, 25 Wolfspaare und 13 Einzelwölfe gezählt worden, das sind 28 bestätigte Rudel mehr als im Vorjahreszeitraum.

Die Datenlage ist jedoch problematisch. Dass etwa die vorläufigen Risszahlen 2019 unter den Vorjahreswerten liegen, ist auch der Bürokratie geschuldet. Der Aufwand beim Melden einzelner Risse überwiegt für Tierhalter den Ausgleich, die Bearbeitung nimmt Monate ein, mit unklarem Ausgang. Betroffene Nutztierhalter melden daher nicht immer alle Risse.

Für die Tierhalter ist diese Situation eine Zumutung. Kein Weidetierhalter weiß am Abend, ob seine Tiere am nächsten Morgen unversehrt sind. In Wolfsgebieten haben Schäfer und Mutterkuhhalter nie die Gewissheit, dass ihre Tiere nicht gerissen oder verletzt sind. Dies steht im Widerspruch zu den Anforderungen an Tierschutz und Tierwohl, die an Tierhalter gestellt werden.

Weidetierhalter und insbesondere Schäfer geraten durch den Wolf zudem wirtschaftlich unter Druck, aufgrund hoher Mehrkosten. Wenngleich Schutzmaßnahmen gefördert werden können: Die Förderung für die Anschaffung von Zäunen und Herdenschutzhunden ist wesentlich geringer als die entstehenden Kosten.

Die Wiederansiedelung des Wolfes ist politisch gewollt. Ohne durch die Politik gesetzte Grenzen für die Populationsentwicklung, den sogenannten günstigen Erhaltungsbestand, wird die Ablehnung im ländlichen Raum zunehmen. Landes- und Bundespolitik sind in der Pflicht, die Weidetierhaltung nicht nur als Ziel zu formulieren, sondern zu schützen. Andernfalls wird die Weidetierhaltung in Sachsen-Anhalt durch den Wolf verdrängt.