Kommentar der Verbandsspitze im Informationsheft 08/2023

Werte Mitglieder, liebe Bäuerinnen und Bauern,

seit dem Deutschen Bauerntag in Münster ist bereits einige Zeit vergangen. Zurückblickend kann gesagt werden, dass die Veranstaltung erfolgreich war. Der Austausch zwischen den Akteuren der Landwirtschaft und der Politik ist wichtig, auch wenn nach wie vor der Eindruck besteht, dass nicht zwingend in allen Punkten ein gemeinsames Ziel von Landwirtschaft und Politik angesteuert wird. Wichtiger ist und bleibt weiterhin der Austausch mit den Berufskollegen und der kam in Münster auf keinen Fall zu kurz.

Ein Thema, welches intensiv diskutiert wurde, war das Projekt Zukunftsbauer. Die Landwirtschaft soll die Zukunft bauen. Vonseiten der Politik und der Bevölkerung wird ein Umdenken der Landwirtschaft gefordert, am besten schon gestern. Aber sind wir nicht oft schon dabei, für unsere Zukunft in unserem Handeln und Tun neue Strategien zu entwickeln?

Das geforderte Umdenken machen wir Bäuerinnen und Bauern oft tagtäglich, ob nun bewusst oder unbewusst. Dazu gehören neue Strategien in der Pflanzen- und Tierproduktion, dem Wein- und Obstbau oder allgemein komplett neue Ideen und Wege, unsere Landwirtschaft zu betreiben. Viele dieser Entwicklungen, die beispielsweise massiv Emissionen einsparen, kommen in der breiten Öffentlichkeit noch nicht an oder werden politisch nicht ausreichend berücksichtigt. Die Vermarktung unserer Leistungen müssen wir noch ausbauen.

Innovation wird uns seitens der Politik aber auch nicht leicht gemacht. Ausstehende oder fehlende politische Entscheidungen bremsen die Entwicklung. Teilweise sind politische Entscheidungen aus fachlicher Sicht schlicht nicht nachvollziehbar. Es wird einem nicht leicht gemacht, einen positiven Blick zu haben, die Zukunft „zu bauen“.

Trotzdem stellt Aufgeben keine Option dar! Auch ich komme an Punkte, wo mich das Empfinden plagt, ich grüble, wo die Reise in der Landwirtschaft hingeht. Und manchmal bringt das Grübeln über neue Informationen einen auf ganz neue Ideen. In meinem Fall die Produktion von Mikroalgen. Mancher mag es verrückt nennen, ich habe für unseren Betrieb eine große Chance gesehen, durch diesen neuen Weg die Zukunft der Landwirtschaft neu- und mitzubauen – ein Zukunftsbauer sein. Mikroalgen sind natürlich keine klassischen Feldfrüchte, denn schließlich ist ihr Hauptmedium das Wasser und es erinnert mehr an ein Aquarium. Aber auch die Mikroalgen wollen mit viel Leidenschaft und Liebe, so wie alle anderen Landkulturen auch, produziert werden. Das Potenzial von Mikroalgen-Produkten ist immens! Da kann es schon mal passieren, dass man Schuhe aus Mikrolagen trägt oder ein kühles Algen-Bier in der Hand hält. Die vielfältige Weiterverarbeitung war jedoch erst der zweite Gedanke.

Meine anfängliche Über­legung war, welche Möglich­keiten wir als Nahrungs- und Futter­mittel haben. Hierfür bietet unter anderem die Chlorella vulgaris, welche wir anbauen, ein breites Spektrum. Wie bei den Mikroalgen wächst der Markt stetig. Reich an Proteinen, Aminosäuren, Vitamin B 12 ist die Chlorella vulgaris als Nahrungs- und Tier­futter beliebt und kann da sogar viele Feldfrüchte toppen. Das Wachs­tum ist im Vergleich zu einer Feld­frucht um ein Vielfaches höher, Ernte­dank­fest darf alle 3 Tage gefeiert werden. Im getrockneten Zustand ist dann die Chlorella vulgaris sehr haltbar, ohne von ihrer positiven Zusammensetzungen Qualitätseinbußen hinnehmen zu müssen. Was die Alge dafür benötigt, sind Grundnährstoffe, UV-Licht, Wärme, Kohlenstoffdioxid und ab und zu etwas Dextrose. Ansonsten ist die Chlorella vulgaris anspruchslos. Ich freue mich täglich auf das leuchtende Grün der Mikroalge und das wunderbare Summen der Motoren in der Anlage.

Obwohl bekannt ist, dass die Mikroalgen vor vielen tausend Jahren für das Leben auf der Erde maßgeblich verantwortlich waren, gibt es nach wie vor reichlich Forschungsbedarf. Auch wir wollen weiter in die Tiefe der Möglichkeiten von Mikroalgen eintauchen und haben drei Forschungsprojekte vom BMEL und VDE/VDI genehmigt bekommen. Aktuell starten wir mit der Nutzung des „Algen-Abwassers“, welches bei der Ernte entsteht, zur Bewässerung von Weinstöcken. Wir erwarten positive Effekte in Bezug auf die Weinstock- und Blattgesundheit. Es bleibt auf jeden Fall nicht nur abzuwarten, sondern es bleibt spannend und Ideen habe ich in diesem Bezug noch jede Menge.

In unterschiedlichen Ansätzen entwickeln wir Land­wirtinnen und Landwirte auf unseren Betrieben Konzepte für die Zukunft. Wir müssen unsere Innovationen nach außen tragen! Seit dem Mittelalter gilt der Spruch „Klappern gehört zum Handwerk.“ Und wenn man merkt, wie positiv eine kleine oder große Innovation von den Mitmenschen wahrgenommen wird, schöpft man auch frischen Mut für die Dinge, die in der Zukunft liegen.

Ihre Katrin Beberhold

Vizepräsidentin Bauernverband Sachsen-Anhalt

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Zweite Erntemeldung für Sachsen-Anhalt

Unterbrechung der Getreideernte durch teils unbeständige Wetterlage

Die derzeit unbeständige Witterung führt zu Unterbrechungen der Erntearbeiten. 

 

Die Wintergerstenernte ist bereits abgeschlossen, auch die Winterrapsernte ist bereits weit vorangeschritten. Einige Winterrapsflächen haben regional stärker unter der Trockenheit gelitten als erwartet, sodass es hier zu größeren Ertragsunterschieden kommt. Ebenso war ein großer Schädlingsdruck zu verzeichnen, der die Erträge zusätzlich mindert. Durch eine teils ungleichmäßige Abreife konnten bisher erst 85 % der Rapsschläge geerntet werden. Im Durchschnitt liegt der Ertrag nach aktuellem Stand bei 32,7 dt/ha und damit etwas unter den Erwartungen der Betriebe. Einige Betriebe melden sehr gute Ölgehalte.

Die Winterweizenernte schreitet durch die aktuelle Wetterlage nur langsam voran. Etwa 80 % der Winterweizenflächen in Sachsen-Anhalt müssen noch geerntet werden. Mit einem Anbauumfang von etwa 273.066 ha stellt der Winterweizen hierzulande die wichtigste Getreideart dar. Die unbeständige Wetterlage zwingt die Mähdrescher allerdings aktuell immer wieder zum Stillstand, sodass die erntereifen Winterweizenbestände vorerst weiteren Niederschlägen ausgesetzt sind.

Auch viele Winterroggenbestände konnten derzeit noch nicht geerntet werden. Bereits uns vorliegende Meldungen der Betriebe lassen auf unterdurchschnittliche Erträge schließen. Auch hier erfolgt durch die derzeitigen Erntebedingungen nur ein mäßiger Fortschritt der Ernte, weshalb verlässliche Aussagen über Hektarerträge und Erntemengen bislang nicht möglich sind.

Die Mais- und Zuckerrübenbestände sowie die Kartoffeln profitieren von der aktuellen Witterung und können sich positiv entwickeln. Sowohl Mais als auch Zuckerrüben werden erst in den Herbstmonaten geerntet.

Die derzeitige wetterbedingte Zwangspause wird von vielen Betrieben zur Planung des Anbaus für das nächste Jahr genutzt. Der hohe bürokratische Aufwand verbunden mit einer Vielzahl an neuen Auflagen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) führt zu deutlichem Unverständnis in der Praxis. Der unverhältnismäßige Planungs- und Dokumentationsaufwand ist für die Betriebe kaum noch zu bewältigen und steht im Kontrast zu einem Wirtschaften in und mit der Natur.

 

Erste Erntemeldung für Sachsen-Anhalt

Ein zeitweise kühles Frühjahr und eine langsame Entwicklung der Pflanzen hatten bewirkt, dass die Ernte 2023 etwas später als in den letzten Jahren begonnen hatte. Durch die aktuell sehr trockene Witterung waren die Bedingungen für die Ernte vielerorts sehr gut. Die Gerstenernte in Sachsen-Anhalt ist fast vollständig abgeschlossen.

Im Landesdurchschnitt liegt der diesjährige Ertrag in der Wintergerste bei 76 dt/ha und somit 6 dt/ha über der Vorabschätzung. Diese ungewöhnliche Abweichung von der Praktiker-Prognose vor der Ernte erklärt sich durch sehr starke, regionale Schwankungen. Im Süden Sachsen-Anhalts konnte mit 87 dt/ha ein sehr gutes Ergebnis erzielt werden. Im Norden des Landes wurden nur gut 57 ha/dt gemeldet, somit nochmal 8 dt/ha weniger als im Vorjahr.

Etwas besser ist die Gerstenernte im Raum Anhalt ausgefallen. Dort wurden im Durchschnitt 70 dt/ha eingefahren, was den Schätzungen im Vorfeld genau entspricht. In der Region des ALFF Mitte, also Börde, Harz und Salzlandkreis, wurden fast 77 dt/ha geerntet.

Die Aufteilung der genannten Gebiete richtet sich nach den Zuständigkeitsgrenzen der Ämter für Landwirtschaft, Flurneuordnung und Forsten (kurz ALFF): https://alff.sachsen-anhalt.de/

Trotz gelegentlicher Niederschläge sind die Bestände auf den Feldern sehr trocken. Das wirkt sich positiv auf die Erntefähigkeit aus. Negativ werden jedoch verschiedene Qualitätsfaktoren beeinflusst, u.a. das teilweise deutlich abfallende Hektolitergewicht und der Schmachtkornanteil.

Zu anderen Kulturen liegen bisher noch nicht genug Meldungen vor, um eine Bewertung der Ernte vorzunehmen. Der Wintergerste folgt bei vielen Betrieben der Winterraps, weitere Druschkulturen sind Erbsen und Winterweizen. Besonders der Weizen ist für viele Betriebe wirtschaftlich wichtig. Sachsen-Anhalt ist eine von Deutschlands „Kornkammern“, rund 10 Prozent des deutschen Winterweizens kommt aus Sachsen-Anhalt.

Zahlen zu den Anbauflächen finden Sie auf der Webseite des Statistischen Bundesamtes:

https://www.destatis.de/DE/Themen/Branchen-Unternehmen/Landwirtschaft-Forstwirtschaft-Fischerei/Feldfruechte-Gruenland/Tabellen/anbauflaeche-feldfruechte-bundeslaender.html

Ernte-Schätzung in Sachsen-Anhalt

Sachsen-Anhalts Landwirtinnen und Landwirten prognostizieren eine durchwachsene Ernte. Im März und April gab es ausreichend Regen, damit stieg die Hoffnung auf gute Erträge. Mai und Juni haben jedoch deutlich gemacht, dass die Dürrejahre noch nicht vorbei sind. Die Vorsommertrockenheit traf die Getreidekulturen in empfindlichen Entwicklungsstadien, was Einfluss auf die Qualität genommen hat. Sommerungen wie Zuckerrüben und Mais zeigen sich sehr unterschiedlich.

Die Ernte beginnt mit der Wintergerste. Im Vorjahr war die Wintergerste zum Julibeginn bereits größtenteils eingebracht. Durch das kühle Frühjahr hat sich die Entwicklung und Reife der Pflanzen zeitlich nach hinten verlagert. Die aktuell gelegentlich auftretenden Niederschläge sorgen dafür, dass die Ernte nur langsam anrollen kann. Erwartet wird ein Ertrag von weniger als 70 dt/ha, jedoch mit starken Schwankungen.
Wie in der Gerste wird auch beim Winterraps von starken Schwankungen im Ertrag ausgegangen. Der Trend der letzten Jahre setzt sich fort, dass kaum noch regionale Aussagen getroffen werden können, weil Niederschläge zunehmend lokal abgegrenzt auftreten. Der prognostizierte Ertrag von durchschnittlich gut 34 dt/ha würde auf dem Niveau des Vorjahres liegen.
Der erwartete Ertrag im Winterweizen liegt bei 65 dt/ha und somit gut 2 dt/ha unter dem durchwachsenen Vorjahresergebnis. Die Schätzungen der Landwirte schwanken von 50 bis 70 dt/ha. Zum Vergleich: In den Jahren vor der seit 2018 anhaltenden Dürre konnten oft 80 dt/ha Winterweizen oder mehr geerntet werden.
Bei Zuckerrüben, Kartoffeln und Mais ist es noch zu früh für eine Prognose. Auf besonders trockenen Flächen sind die Kulturen schlecht entwickelt, haben aber das Potenzial. Zu diesen und weiteren Kulturen sowie dem Grünland werden mit der ersten Ernte-Erhebung weitere Angaben folgen.

Hinweis: Erntemengen in der Landwirtschaft werden in „dt/ha“ angegeben. Eine Dezitonne („dt“) entspricht 0,1 Tonnen bzw. 100 kg. Eine Prognose von 70 dt/ha geht also von 7 Tonnen je Hektar aus, bzw. von 7.000 kg je Hektar.

Die Ernteauftakt-Pressekonferenz des Deutschen Bauernverbandes findet dieses Jahr in Thüringen statt, am 4. Juli auf einem Feld in Riethnordhausen. Informationen sowie Kontaktdaten finden Sie unter folgendem Link: https://www.tbv-erfurt.de/presse-und-medien



1. Juni ist Tag der Milch

Es ist ein Wunder und ein Geschenk der Natur: Kühe verwandeln Gras und andere Pflanzen, die für Mensch und Tier kaum Nährwert haben, in Milch. Die Milch ist eine wichtige Nahrungsquelle und enthält wertvolle Nährstoffe wie Protein, Kalzium und Vitamine. Aus diesem Grund reicht die gemeinsame Geschichte von Rind und Mensch schätzungsweise 10.000 Jahre zurück. Kühe und ihre Milch haben dazu beigetragen, dass die Menschen sesshaft werden konnten.

Auch heutzutage sind Milchkühe ein wichtiger Teil der Landwirtschaft, zum einen wegen der Milch, zum anderen durch ihre Bedeutung für die Kreislaufwirtschaft. Kühe produzieren nebenbei Mist und Gülle, die wichtiger Dünger für die Pflanzen auf den Äckern sind, beispielsweise für Weizen und Raps oder auf dem Grünland. So trägt die Haltung von Milchkühen dazu bei, dass die Rohstoffe für Mehl und Pflanzenöl heranwachsen. Die Kühe wiederum können sogar Nebenprodukte wie Rapsextraktionsschrot verwerten, das bei der Gewinnung von Rapsöl entsteht. Nicht zuletzt sind Kühe und Weidetiere insgesamt wichtig für die Landschaftspflege. Durch das Beweiden helfen sie, die Vegetation zu kontrollieren und eine vielseitige Landschaft zu erhalten, was wiederum die Artenvielfalt fördern kann.

Wie wir uns ernähren, wird zunehmend emotional und hitzig diskutiert. Durch die Dürre gab es immer wieder Versuche von Tierhaltungsgegnern, die Milch als klimaschädlich abzustempeln. Behauptet wird, es würden hunderte Liter Wasser „verbraucht“, um einen Liter Milch zu erhalten. Dabei wird dann gerne das Regenwasser auf der Weide einberechnet, das natürlich nicht „verbraucht“ wird, sondern Teil des Kreislaufes bleibt.

Christian Schmidt ist Geschäftsführer der Agrargesellschaft Siedenlangenbeck, der Betrieb hält 650 Milchkühe, und ist Vorsitzender des Milch-Fachausschusses im Bauernverband Sachsen-Anhalt. Er kommentiert: „Gerade in Regionen mit viel Grünland wie in der Altmark oder entlang der Elbe sind Milchkühe ein wichtiger Teil der Wertschöpfungskette, um Gras zu verwerten. Sie sichern auch viele Arbeitsplätze in Handwerk, Verarbeitungsindustrie und Handel. Das Ganze wird den Menschen in der Milcherzeugung nach den guten Preisen 2022 inzwischen wieder nicht mehr ausreichend honoriert, da der Milchpreis auf 38 Cent gefallen ist. Das reicht nicht, um eine Teilhabe an der Lohnentwicklung vieler anderer Branchen zu sichern und die Inflation für die Mitarbeiter zu kompensieren, die auch an Wochenenden, Feier- und Brückentagen ihre Arbeit verantwortungsvoll leisten. Bemerkenswert ist, dass daneben die Margen des Handels selten so groß waren wie derzeit.“

Hintergrund: Der Internationale Tag der Milch wurde 1957 von der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) und dem Internationalen Milchwirtschaftsverband (IDF) ins Leben gerufen, um auf das hochwertige Grundnahrungsmittel Milch und deren Erzeugung weltweit aufmerksam zu machen. In Deutschland erzeugen aktuell etwa 53.000 Milchviehhalter mit 3,8 Mio. Kühen rund 32 Mio. Tonnen Rohmilch für die Weiterverarbeitung durch die Molkereien zu hochwertigen Milchprodukten.

Kommentar der Verbandsspitze im Informationsheft 05/2023

Werte Mitglieder,
werte Landwirtinnen und Landwirte,

taucht man in die politische Diskussion ein, so begegnen dem interessierten Bürger immer mehr wachstumskritische Stimmen, die augenscheinlich die mediale Oberhand gewinnen. Wachstum wird als etwas Negatives angesehen, Nullwachstum der Wirtschaft als erstrebenswertes Ziel proklamiert. Paradoxerweise gehören solche Stimmen oft Interessensgruppen, die seit Jahren strukturell, personell und wirtschaftlich wachsen. In einer Zeit, in der bundesweit eine schleichende Deindustrialisierung mit ihren negativen Folgen voranschreitet, sind solche Forderungen ein Anachronismus und Ausdruck einer eingeschränkten Sicht auf Wirtschaft, Kapitalismus und globale Wertschöpfungsketten. Eine funktionierende, wachsende soziale Marktwirtschaft unter Ausnutzung komparativer Kostenvorteile sorgt erst für die Möglichkeiten der intensiven materiellen Umverteilung und damit die Unterstützung derer, die solcher Hilfen bedürfen.

Es ist nichts dagegen zu sagen, wenn Bürger wirtschaftlich enthaltsam leben wollen. Problematisch ist hingegen eine politische Entwicklung, wenn die gesamte Welt diesem Weg nachfolgen soll. Wäre das ein vorteilhafter Weg für die Mehrheit, dann ginge das über Anreize und Motivation, nicht über mehr Staat, Kontrolle, Ordnungsrecht bis hin zu Denunziationsportalen.
Große Auswirkungen auf unser Zusammenleben in der Gesellschaft hat die Deutungshoheit von Begriffen. Was genau gemeint ist, mit scheinbar allgemein bekannten Begriffen, ist im Detail oft unklar. Eine kleine Auswahl nicht vielfältig ausdeklinierter, verwendeter Begriffe: Klimakrise, Nachhaltigkeit, Gemeinwohlprämie, Transformation, Ernährungswende, Moorschutz, Degrowth, Mobilitäts­wende, Agrarwende, Stilllegungsflächen als Bio­diversitätsflächen, Bürgerräte, zukunftsfeste Landwirtschaft, öko-soziale Marktwirtschaft und zum guten Abschluss Wärmewende.

Wir begeben uns auf einen Pfad der politischen Einseitigkeit, wenn wir nicht öffentlich und sauber klären, was mit welchem Begriff gemeint ist und welcher Partner was wie deutet. Unreflektiert Begriffe in den politischen Sprachgebrauch zu übernehmen, die irgendwann Allgemeingut werden, wird uns kurzfristig auf die Füße fallen. Da mögen sie noch so charmant und mit Wohlfühlcharakter daherkommen, die dahinterliegende gewünschte Politikausrichtung ist entscheidend.

Nicht wenige Bürger haben die Wahrnehmung, dass es mit der guten alten liberalen Zeit vorbei geht und wir nun auch in sehr schwierigen wirtschaftlichen Fahrwassern ankommen. Notwendig wäre das Aufbauen eines Sicherheitsgefühls, das durch verantwortungsvolle Politik zu organisieren ist. Stattdessen gewinnen Parteiprogramme die Oberhand, und Bürger werden immer mehr verunsichert durch beinahe täglich neue Ideen. Sie nehmen wahr, dass ihre eigene wirtschaftliche Zukunft auf dem Spiel stehen kann, weil politische Projekte auf der Grundlage von Partei­programmen ab­ge­­arbeitet werden – auf Gedeih und Verderb.

Lesen bildet, möchte man zurufen. Nur wer interessiert sich schon für das, was Parteitage inhaltlich beschlossen haben? Vielen ist nicht mehr transparent, aus welchen Gründen diese oder jene Inhalte in Parteiprogramme aufgenommen werden. Es bleibt somit oft bei politischen Erklärungen, die für den Polit-Laien nicht nachvollziehbar sind. Dazu tragen maßgeblich die bereits genannten, unklaren Begriffe bei. Bürger mit wahrer Wendeerfahrung fühlen sich gegenwärtig an die finale Phase der DDR erinnert, und das ist eine gefährliche Erkenntnis. In der Folge wenden sich Bürger von der Politik ab, schlimmstenfalls radikalisieren sie sich. Wobei sogar das ein zu definierender Begriff ist.

Wenn von Klimaklebern Straßen blockiert werden, wird dies medial mehrheitlich goutiert, das plakative Anliegen ist schließlich eine Verkehrswende, eine „nachhaltige Transformation“. Wie diese funktionieren und von allen Bürgen akzeptiert – geschweige denn finanziert – werden soll, bleibt unklar. Ebenso verhält es sich mit den meisten Forderungen an die Landwirtschaft. Eine Agrarwende lässt sich leicht fordern, wenn man fachliche Machbarkeiten und wirtschaftliche Zwänge unter den Worthülsen „zukunftsfest“ und „öko-sozial“ vermeintlich erledigt.

Wir müssen uns als landwirtschaftlicher Sektor mehr mit politischem Sprachgebrauch und Schlagworten befassen, auch wenn sie im Tagesgeschäft auf den Betrieben scheinbar kaum relevant sind. Ignorieren und abtun, als seltsame Ideen oder Wortkreationen anderer gesellschaftlicher Gruppen, gelingt nicht. Es lohnt sich, die eigene Blase zu verlassen und über Visionen und Worte zu streiten, denn die Auswirkungen sind sehr real.

Marcus Rothbart
Hauptgeschäftsführer

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Veranstaltung zur Betriebsübergabe im Juni

Die Übergabe eines landwirtschaftlichen Unternehmens erfordert eine langfristige und vielschichtige Vorbereitung. Der Prozess ist sehr komplex und hat je nach Betriebsstruktur und Übergabeart verschiedene Rechtsbereiche gesondert zu berücksichtigen.Die 2022 durchgeführte Veranstaltung zur Betriebsübergabe wurde mit guter Resonanz angenommen, so dass wir in diesem Jahr das Thema weiterführen werden. Zur Information und Sensibilisierung bieten wir gemeinsam mit kompetenten Referenten eine Vortragsveranstaltung an, die sich dieser Thematik annimmt. Die Veranstaltung ist so konzipiert, dass Zeit für persönlichen Austausch mit den Referenten vorgesehen ist.

Weitere Informationen und den Anmeldeweg finden Sie HIER.

Achtung! Begrenzte Platzkapazität, Teilnahme ausschließlich nach verbindlicher schriftlicher Anmeldung.