Jahresauftakt-Pressekonferenz 2021

Im dritten Jahr in Folge hat der Bauernverband Sachsen-Anhalt e.V. Journalistinnen und Journalisten aus Sachsen-Anhalt und von landwirtschaftlichen Fachmedien zu einer Jahresauftakt-Pressekonferenz eingeladen. Aufgrund der Gesamtsituation wurde das Format digital durchgeführt. Insgesamt 15 Themenblöcke standen auf der Tagesordnung, u.a. das Dauerthema Corona, Perspektiven im Ackerbau, die Situation auf den Märkten, neue Wege mit Erneuerbaren Energien, aktuelle Agrarpolitik sowie die komplizierte und angespannte Lage der Tierhalterinnen und Tierhalter Sachsen-Anhalts. Die Aufgabenfelder der Landwirtinnen und Landwirte und ihres Bauernverbandes sind zu Beginn des Jahres 2021 nicht kleiner geworden.

Auf der Jahresauftakt-Pressekonferenz ging es weniger um das vergangene Jahr, Thema war die Zukunft. Etwa werden die Landtagswahl sowie die Bundestagswahl 2021 für die Mitgliedschaft ein zentrales Thema sein. Die Delegierten des Bauernverbandes Sachsen-Anhalt hatten Ende 2020 auf dem Bauernverbandstag ein 60-Punkte-Programm für den künftigen Koalitionsvertrag verabschiedet, die Verbandspräsident Olaf Feuerborn auszugsweise angesprochen hat, darunter das Thema Berufsbildung:

„Die Berufs- und Hochschulbildung muss gestärkt werden, dazu brauchen wir ein klares Bekenntnis.“

Ebenso fordert der Bauernverband Sachsen-Anhalt e. V., dass Gesetze zukünftig nur noch mit einer umfassenden wirtschaftlichen Folgenabschätzung für alle Wirtschaftspartner verabschiedet werden. Die bei neuen gesetzlichen Vorhaben besonders betroffenen Landwirtinnen und Landwirte sowie die Bevölkerung des ländlichen Raumes insgesamt haben Anspruch auf eine transparente Darstellung von Kosten, die sie betreffen. Eine solche Ausweisung des Erfüllungsaufwandes ist eine Bringschuld einer Regierung ihren Wählerinnen und Wählern gegenüber.

In besonderem Maß stehen Tierhalterinnen und Tierhalter vor Herausforderungen. Die Lage in der Rindermast und in der Milchviehhaltung ist weiter angespannt, die Zahl der Betriebe ist rückläufig. Unter anderem ist beim Thema Tierwohl der Konflikt mit dem Emissionsschutz anzugehen. Neue Haltungssysteme und eine weitere Verbesserung der Tierhaltung können implementiert werden, wenn auch langfristige Rechtssicherheit im Baurecht für Um- oder Neubauten besteht. Das ist aktuell nicht der Fall. Im Nachgang der Pressekonferenz unterstrich Olaf Feuerborn gegenüber dem MDR:

„Da muss der Gesetzgeber in die Puschen kommen.“

Auch die sauenhaltenden Betriebe und die Schweinemäster in Sachsen-Anhalt sind weiter unter wirtschaftlichem Druck. Neben den Auswirkungen der Corona-Pandemie kann 2021 die Afrikanische Schweinepest maßgeblich die Rahmenbedingungen der Betriebe bestimmen. Obwohl ASP-Funde bei Wildschweinen bisher nur in Teilen Brandenburgs und Sachsens auftreten, sind die Auswirkungen enorm, insbesondere durch das Wegbrechen von Absatzwegen. Exporte verbleiben zwar größtenteils in der EU, die Exporte nach Asien sind jedoch ökonomisch und auch ökologisch notwendig. Exportiert werden insbesondere die „weniger edlen Teile“, bei denen in Deutschland eine sehr geringe Nachfrage besteht.

Neben Verbandspräsident Olaf Feuerborn nahmen Sven Borchert (1. Vizepräsident, Bördekreis), Lutz Trautmann (Vizepräsident, Kreis Nordharz), Maik Bilke (Vizepräsident, Kreis Wittenberg) und Hauptgeschäftsführer Marcus Rothbart teil. Der Vorstand war zufrieden mit der Resonanz der Pressekonferenz, auch verschiedene Parteibüros hatten sich zum Austausch in die Videokonferenz geschaltet.

Die in der Jahresauftakt-Pressekonferenz angesprochene Düngeverordnung finden Sie zum Nachlesen unter: https://www.gesetze-im-internet.de/d_v_2017/D%C3%BCV.pdf

Deutsche Umsetzung der Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik

Finanzielles Ausbluten der ostdeutschen Landwirtschaft muss verhindert werden

Anlässlich der heute stattfindenden Amtschefkonferenz der Agrarminister der Bundesländer haben die Präsidenten der ostdeutschen Landesbauernverbände in einem gemeinsamen Positionspapier vor den Folgen einer verfehlten innerdeutschen Verteilung der insgesamt 6,4 Milliarden Euro/Jahr aus der Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik für die Landwirtschaftsbetriebe in den Neuen Bundesländern gewarnt. „Sollten die ostdeutschen Betriebsstrukturen nicht angemessen Berücksichtigung finden, wäre das Erreichen wichtiger EU-Ziele, wie Einkommenssicherung, stabile Agrarstruktur und das Erreichen der Umweltziele, für eine gesamte Region eines Mitgliedsstaates massiv gefährdet“, so die Warnung der Bauernpräsidenten.

Ihre Kritik richtet sich vor allem gegen eine Kappung und Degression der Zahlungen an die Betriebe, da hiervon nahezu ausschließlich ostdeutsche Betriebe betroffen wären. So befänden sich 2019 bei einer Kappungsgrenze von 150.000 Euro 1.781 von 1.876 betroffenen Betrieben in Ostdeutschland (95 Prozent). Auch die neu zu bestimmende Umverteilung von Mitteln auf die ersten Hektare der Betriebe würde zu einem massiven Abfluss von EU-Mitteln aus einzelnen Regionen führen. Hier könnten bei einer Umverteilung von 12 Prozent der Mittel statt der aktuell 82,2 Millionen Euro bis zu 130 Millionen Euro aus Ostdeutschland abfließen. Durch diese Maßnahmen werden die ostdeutschen Landwirtschaftsbetriebe wirtschaftlich geschwächt, Wertschöpfung und Arbeitsplätze im ländlichen Raum gefährdet.

Darüber hinaus kritisieren die Bauernpräsidenten, dass mit steigenden Umweltanforderungen auch die einkommens- und betriebsstabilisierenden Wirkungen der Direktzahlungen geschmälert werden. Bereits heute entstehen den Betrieben durch die hohen Anforderungen Wettbewerbsnachteile in Höhe von 246 EUR/ha. Ohne ein verlässliches Einkommen über die Basisprämie sind auch die geforderten Investitionen in Klima-, Arten-, Tier- und Umweltschutz nicht möglich. Die Bauernpräsidenten plädieren deshalb nachdrücklich für einen Erhalt der Basisprämie mindestens auf dem aktuellen Niveau.

Besonderen Wert legen die Bauernverbände auch auf eine EU- und deutschlandweit einheitliche Ausgestaltung der Umweltauflagen für die neue hinzukommenden Eco-Schemes. Die in den Eco-Schemes zu erbringenden Umweltleistungen müssen einfach und praktikabel sein, wenn sie Erfolg haben sollen. Vor allen müssen die Gemeinwohlleistungen verlässlich vergütet werden und nicht zu Lasten der Einkommenswirksamkeit gehen. Dies wird mit einem Betriebsprämienmodell und einer prozentualen Begrenzung der Mittel je Betrieb erreicht.

PDF_Schreiben der ostdeutschen Landesbauernverbände

 

Hintergrundinformationen

Der künftige EU-Agrarhaushalt für Deutschland hat ein Volumen von 6,144 Mrd. EUR/Jahr. Davon entfallen auf die erste Säule 4,916 Mrd. EUR und auf die zweite Säule 1,228 Mrd. EUR/Jahr. Die erste Säule steht für die Basisprämie, Finanzierung der Eco Schemes und den Junglandwirtezuschlag zur Verfügung. Die Finanzierung der Sonderzuschläge für die ersten Hektare wird durch Umschichtungen innerhalb der ersten Säule finanziert. Aktuell liegt der Zuschlag bei 50 bzw. 30 EUR/ha.

 

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Kommentar der Verbandsspitze im Informationsheft 01/2021

Sehr geehrte Verbandsmitglieder,
werte Kolleginnen und Kollegen,
der Start in das Jahr 2021 ist vollbracht und der Jahreswechsel gab hoffentlich die Gelegenheit, bei allen weiter vorherrschenden, widrigen Gesamtumständen, das Jahr 2020 soweit wie möglich abzuhaken. Setzen wir darauf, dass wir wieder in die Spur finden und vor allem die Pandemie gemeinschaftlich derartig in den Griff bekommen, dass die Gesamtwirtschaft mit allen Beteiligten darunter nicht dauerhaft weiter leidet. Das ist anspruchsvoll genug, es wird uns aber nichts anderes übrig bleiben. Was von dem Jahr generell bleibt: Viel weniger persönliche Kontakte, mehr Vorsicht und Zurückhaltung, auf der anderen Seite aber auch eine digital weiter zusammengerückte Welt mit anderen und neuen Chancen der Kommunikation.
Und was kommt 2021? Wir stehen in Sachsen-Anhalt vor einer Landtagswahl im Juni und fünf Jahre Kenia-Koalition neigen sich dem Ende zu, nachdem man diese eben noch mit erheblichen Winkelzügen gerettet hat. Schlag auf Schlag geht es im September weiter mit der Bundestagswahl. Mit beiden Wahlen verbunden ist, dass es am Ende Koalitionsverträge geben muss. In denen wird sich der landwirtschaftliche Sektor in irgendeiner Art und Weise wiederfinden.
Als Bauernverband haben wir diese Wahlen im Fokus und haben unsere Forderungen für die Umsetzung auf Landesebene soweit klar, der digitale Bauernverbandstag am 10.12.2020 hat diese beschlossen. Zusätzlich sind wir in der Vorbereitung von Veranstaltungen auf Kreis- und Landesebene, um im Frühjahr mit den antretenden Parteien in die inhaltliche Diskussion zu kommen und unsere Positionen klarzumachen. Dieser Diskurs ist notwendiger denn je, das letzte Jahr hat vieles an Möglichkeiten des Austauschs ausgebremst. Der unterschiedliche Umgang mit der Pandemie am Ende des Jahres, größere verbandliche Veranstaltungen mit Anwesenheit sind untersagt, parteipolitische und ebenso kirchliche nicht, hat zu einem Ausbremsen der Debattenmöglichkeiten geführt. Das kann auf Dauer für demokratische Willensbildungsprozesse nicht gut sein und hat für Verstimmung gesorgt.
In Vorbereitung der beiden wichtigen Wahlen ist heute schon sicher: Die Landwirtschaft wird ein Hauptkampffeld sein – hier kann man Stimmung machen! Wir werden als Sektor weiter sehr viel auszuhalten haben, da man diesen sehr gut für Wählerstimmen in urbanen Räumen nutzen kann. Wir werden aber auch deshalb als landwirtschaftliche Branche viel auszuhalten haben, da wir bisher noch nicht geschlossen genug auf die vielfältigen verbalen Angriffe aus bestimmten Lagern reagieren. Es ist sehr gut zu beobachten, dass doch so einige Protagonisten glauben, sich persönlich und wirtschaftlich retten zu können, indem man bestimmten, „umweltorientierten“ Richtungen nach dem Munde spricht. Nur wird das niemanden retten. Die garantiert aufkommende Debatte um gute und schlechte Landwirtschaft, um groß oder klein, wird nicht der gewinnen, der glaubt, dass Politik für ihn spricht. Am Ende muss man seinen eigenen inneren Kompass haben und sehen, dass man seinen Betrieb wirtschaftlich durch die Zeit bekommt. Leben und leben lassen als Motto unter Landwirten ist dazu eine gute Losung.
Und eminent wichtig: Testen sie jede, aber auch jede politische Aussage auf mögliche Intentionen und damit Nebenwirkungen. Nur weil Zwei das Gleiche sagen, meinen sie noch lange nicht dasselbe. Im Kern geht es auch um gutes landwirtschaftliches Marketing: Rausstellen was und wo der Vorteil bei der eigenen Produktionsweise liegt und sich nicht darüber verkaufen wollen, indem man andere Produkte schlecht oder Politikern nach dem Mund redet.
Um sich zu informieren, wo die Parteien hinwollen, lohnt sich immer ein Blick in die verschiedenen Parteiprogramme. So haben B90/DIE GRÜNEN jüngst auf 84 Seiten ein neues Grundsatzprogramm mit dem Titel „‚… zu achten und zu schützen …‘ Veränderung schafft Halt“ verabschiedet. Dieses soll für die nächsten 15 – 20 Jahre gelten. Exemplarisch bekommen Sie den Einblick in die Passagen zu „Eigentum und Gemeinwohl“:
(127) Ohne Recht auf Eigentum sind eine freiheitliche Gesellschaft und eine sozial- ökologische Marktwirtschaft unvorstellbar. Gleichzeitig verpflichtet es gesellschaftlich, weil eine zu starke Konzentration von Eigentum in den Händen Weniger Demokratie und Marktwirtschaft bedroht. Es braucht eine gleichere Verteilung von Vermögen und Chancen.
(128) Grund und Boden unterliegen einer besonderen Sozialpflichtigkeit, weil sie unvermehrbar und unverzichtbar sind. Deshalb müssen Renditen in diesem Bereich begrenzt sein sowie Grund und Boden verstärkt in öffentliches oder gemeinwohlorientiertes Eigentum überführt werden. Zum Wohl der Allgemeinheit bietet das Grundgesetz als letzte Möglichkeit die Vergesellschaftung sowie die Enteignung, wo Märkte aus dem Ruder geraten. Bodenwertsteigerungen werden gedämpft und bei Planungsrechtsänderungen wird die öffentliche Hand beteiligt. Die Flächeninanspruchnahme ist zu begrenzen. Unser Ziel ist, den Flächenverbrauch auf Netto Null zu senken und der Staat muss für vielfältig(e) Besitzstrukturen sorgen und eine gerechte Verteilung fördern.
(129) Es braucht neue Formen von gemeinwohlorientiertem oder gemeinschaftlichem Eigentum und eine stärkere Gemeinwohlbindung. Genossenschaften und soziale Unternehmen leisten einen wichtigen Beitrag hin zu einer gemeinwohlorientierten Wirtschaft. Ziel ist, dass Private ihre Dienstleistungen und Produkte barrierefrei anbieten.“
Wenn wir annehmen, Parteien halten sich an ihre Grundsatzprogramme, so geht es im kommenden Wahlkampf und bei Koalitionsverträgen auch um die Verteidigung und den Schutz des Eigentums in der sozialen Marktwirtschaft. Diese gilt immer noch und ist das funktionierende Fundament unseres Sozialstaates. Vergesellschaftung und Enteignung, Verbote und Bestrafung, Neid und Missgunst, werden unsere Zukunft nicht lösen – auch wenn Teile der Gesellschaft davon träumen.
Ihr
Marcus Rothbart

Blick ins Heft:

Landesbauernverbandstag 2020

Trotz Corona-Pandemie und unter erschwerten Bedingungen für die Verbandsarbeit, fand am 10. Dezember der 32. Landesbauernverbandstag als digitale Konferenz statt – eine Premiere für den Bauernverband. Mit fast 110 Delegierten wurden die erforderlichen Verbandsregularien behandelt und abgestimmt, die Aktivitäten und politischen Erfolge des letzten Jahres ausgewertet und unter anderem eine Satzungsneufassung beschlossen. Als Ausbildungsbetrieb des Jahres 2020 wurde die Agrargenossenschaft „Elbeland“ eG ausgezeichnet und traditionell mit einer Bördekiste und der entsprechenden Urkunde geehrt.

Ein zentraler inhaltlicher Tagesordnungspunkt war die Abstimmung über die politischen Forderungen des Bauernverbandes für die kommende Landtagswahl in Sachsen-Anhalt am 6. Juni 2021. Die Delegierten aus den 11 Kreisverbänden haben zu verschiedenen Themenfeldern 60 Punkte mit Forderungen verabschiedet, die den Anspruch der Landwirtschaft und des ländlichen Raumes an die kommende Landesregierung formulieren.

Ein besonderes Augenmerk legte der Bauernverband Sachsen-Anhalt e.V. auf seine Einschätzung zum vorliegenden Agrarstrukturgesetz, welches geplant im März 2021 vom Landtag verabschiedet werden soll. Der Gesetzentwurf in seiner aktuellen Form wird abgelehnt, weil die landwirtschaftlichen Unternehmen Sachsen-Anhalts und ihre gewachsenen Strukturen durch die Gesetzgebung in ihren Entwicklungsmöglichkeiten eingeschränkt würden.

 

Olaf Feuerborn, Präsident des Bauernverbandes Sachsen-Anhalt e.V., sagte zum Entwurf des Agrarstrukturgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt:

„Wer das mitträgt, der unterstützt die politisch motivierte Trennung großer und kleiner Landwirtschaft in Gut und Böse. Das ist nicht unser Anspruch. Wir erwarten, dass die Regierungsfraktionen diesen Gesetzentwurf abräumen und vor allem das beschriebene Leitbild und die Ziele des Gesetzes beerdigen.“

 

 

Das Leitbild Landwirtschaft der Regierungskoalition Sachsen-Anhalts wird vom Bauernverband Sachsen-Anhalt und vielen weiteren Verbänden des ländlichen Raumes nicht mitgetragen.

Darüber hinaus ging der Präsident auf die geleistete politische Arbeit des Verbandes ein. Sei es bei der Bewältigung aller Fragen rund um Saisonarbeitskräfte, die komplexe Diskussion und Entscheidungsfindung bei der Bekämpfung von Feldmäusen, die erst durch den Bauernverband möglich wurde, oder die aktuellen Proteste in Richtung LEH. Er machte sehr deutlich, dass man Erfolge nur erreichen kann, wenn man gut organisiert ist.

Trotz des digitalen Formats wurde intensiv und lebhaft diskutiert. Mit Nutzung technischer Möglichkeiten funktioniert die für die Landwirtinnen und Landwirte notwendige Verbandsarbeit – als Ansprechpartner und notfalls Gegenspieler der Landespolitik – auch in Zeiten von Corona.

Kommentar der Verbandsspitze im Informationsheft 11/2020

Monatlich veröffentlicht der Bauernverband Sachsen-Anhalt e.V. im verbandseigenen Informationsheft einen Kommentar zu aktuellen Geschehnissen und Entwicklungen. Mitglieder können das Heft im Mitgliederbereich lesen und erhalten es als Printversion. Nichtmitglieder finden hier die Möglichkeit eines Abonnements und einen Einblick in die Themen der letzten Ausgaben.

 

Sehr geehrte Verbandsmitglieder, werte Kolleginnen und Kollegen,
in diesem Herbst hat sich die Deutsche Einheit zum dreißigsten Mal gejährt, wir haben in den sogenannten alten und neuen Bundesländern faktisch eine Generation gemeinsam absolviert. Gefeiert und erinnert an die Ereignisse 1989/1990 wurde in diesem Jahr wahrnehmbar weniger und das hat mit an den Gesamtumständen einer medial vorherrschenden Pandemie gelegen. Dies kann aber auch seine Gründe darin haben, dass man die Einheit mittlerweile als Normalität wahrnimmt und nicht mehr so viele Unterschiede auszumachen sind. Alle Bürgerinnen und Bürger, die um die Zeit der Wende und danach geboren sind, haben qua vorhandener Lebensjahre keine direkten persönlichen Erinnerungen an die Phase der Teilung Deutschlands und kennen diese Zeit alleine deshalb aus eigenem Erleben nicht.
Für die Landwirtschaft war die Deutsche Einheit ebenfalls eine Zäsur. War die Struktur der Betriebe schon seit jeher auch kulturhistorisch unterschiedlich, von der Küste bis zu den Alpen, kamen nun landwirtschaftliche Unternehmen in den neuen Ländern hinzu, die in ihrer Größe und Ausrichtung sich deutlich von dem gewohnten Bild abhoben. Klare Fremdarbeitsverfassung und größere Schlageinheiten sind allein visuelle Unterschiede, die zwar nichts Qualitatives aussagen, aber von Berufskollegen aus den alten Bundesländern einfach zu erkennen waren und noch heute zu Diskussionen führen. Dass die Transformation der Landwirtschaft in den neuen Ländern hin zur Marktwirtschaft, und das in kürzester Zeit inklusive eines Wechsels der EU-Agrarpolitik mit den Reformen von 1992, erheblichste Anforderungen an alle Beteiligten auf allen Ebenen stellte, ist dabei selbstredend klar und kann an der Stelle nicht verschwiegen werden. Eine solche Neuausrichtung in dermaßen kurzer Zeit hatte keine Blaupause und gab es in den alten Ländern nicht.
Mit dem Blick voraus in dieser kritischen wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Phase unseres Landes, und nichts anderes ist das derzeit, müssen wir uns die Vergangenheit bewusst machen. Die Wendezeit vor 30 Jahren konnte nur gelingen, weil es passende weltpolitische Zeitfenster gab; aber auch Personen, die gemeinsam vor Ort für Freiheit und Veränderung eintraten, ohne unbedingt zu wissen, wie diese sich in der Zukunft genau gestalten werden. Entstanden ist daraus eine andere politische Ordnung, die mit Gewissheit auch nicht immer ideal ist. Etwas besseres als die Demokratie ist jedoch nicht zu bekommen, um das Zusammenleben von Menschen in einem Staat mit all ihren Unterschieden zu organisieren.
Bei der näheren Betrachtung der Landwirtschaft in Deutschland im Heute kann man konstatieren, dass der Prozess des Zusammenwachsens über eine Generation noch nicht vollendet ist. Weiterhin bleiben deutliche Unterschiede bestehen und das gegenseitige Verständnis für die historisch bedingten unterschiedlichen Landwirtschaftsstrukturen ist noch ausbaufähig. Abzubauen sind diese Defizite nur, wenn man sich als Branche in dieser Phase, die nicht von Aufbruch gekennzeichnet ist, selbst zuhört und akzeptiert, dass es nicht die eine Landwirtschaft geben kann. Es geht um die innere Akzeptanz der Vielfalt der Betriebskonzepte, die historisch bedingt differieren müssen. Das Verständnis für die „Einheit in Vielfalt“ muss also noch wachsen.
Ein Fehler der Vergangenheit war sicher, dass wir zu wenig im Blick hatten, dass neben der ökonomisch zweifelsohne notwendigen Optimierung der Einzelunternehmen das Miteinander der kleiner werdenden Anzahl der Betriebe zu organisieren ist. Wollen wir die Zukunft gestalten, dann müssen wir auch in den Blick nehmen, dass in dieser gesellschaftspolitisch kritischen Zeitenphase nicht der Nachbarbetrieb der Hauptkonkurrent sein kann, dafür kommen die Angriffe aus anderen Ecken des Politikbetriebs. Es braucht neue Ansätze der Zusammenarbeit untereinander, die den Menschen in den Mittelpunkt stellt, ohne die Ökonomie zu vernachlässigen. Zu organisieren ist das in allererster Linie über mehr inhaltlichen und persönlichen Austausch von Landwirten, angefangen in Deutschland über Bundesländergrenzen hinweg. Zusätzlich sind die Kenntnisse der Grundlagen von Wirtschaftssystemen sowie politischer Willensbildung in einer Demokratie zu stärken. Das muss in der Aus-, Fort- und Weiterbildung von landwirtschaftlichen Unternehmern anfangen und ist kein Selbstläufer. Nur Protest ist keine Lösung und Antwort auf Herausforderungen, auch wenn gelegentlich als Ventil für Unzufriedenheit absolut notwendig.
Politische Stärke halten und gewinnen wir als Branche, wenn wir uns nicht weiter ausdifferenzieren und aufsplitten lassen, so schwer das auch fällt und von der Politik gerne befördert wird. Demokratie ist komplex und wer Erfolg für die landwirtschaftliche Branche organisieren will, der muss fachlich und politisch fundiert, langfristig und strategisch sowie betriebsübergeordnet, ohne den Einzelbetrieb an der Basis zu vergessen, diese Aufgabe angehen. Abgeleitet kann das nichts anderes bedeuten, als die vor uns stehenden Aufgaben und Herausforderungen in Gemeinsamkeit und Geschlossenheit klar zu benennen und konzentriert und abgestimmt auf allen Ebenen anzugehen. Dabei ist die Landwirtschaft mehr als nur der einzelne Betrieb, es sind die Familienangehörigen, die Mitarbeiter, die Verpächter, die Menschen im gesamten vor- und nachgelagerten Bereich, die in ihr nicht nur die ökonomische Heimat haben.
Ihr Marcus Rothbart

Blick ins Heft:

Afrikanische Schweinepest kommt nicht zum Stillstand – Landesregierung muss aktiver werden

Die Afrikanische Schweinepest (ASP) stellt, besonders in Verbindung mit der Corona-Lage, für schweinehaltende Betriebe eine in großen Teilen wirtschaftlich existenzielle Bedrohung dar. Der dramatische Preisverfall der Schlachtpreise und der Ferkel-Notierungen bedeutet für viele Betriebe, dass Sie nicht mehr kostendeckend arbeiten können und ihre Liquidität massiv schwindet. Vonseiten der Landesregierung braucht es in dieser Situation ein deutliches, unterstützendes Bekenntnis zu einer wirtschaftlich tragfähigen Zukunft der Schweineproduktion, die bereits von vielen anderen Baustellen gekennzeichnet ist.

In Vorbereitung auf ein mögliches Auftreten der Afrikanischen Schweinepest haben Tierhalterinnen und Tierhalter in den vergangenen Jahren viel Zeit und Geld investiert, um die ASP unter allen Umständen aus Hausschweinebeständen heraus zu halten. Jedoch führen bereits die ersten ASP-Funde bei Wildschweinen in Deutschland zu großen Liquiditäts-Problemen. Ob sich die ASP bis nach Sachsen-Anhalt ausbreitet und wie sich die Lage für die Sauenhalter und Mäster dann weiter verändert, ist derzeit noch unklar. Umso wichtiger ist es nun, vonseiten der Landespolitik ein klares Statement abzugeben, die Tierhalterinnen und Tierhalter in Sachsen-Anhalt bei den anstehenden Herausforderungen besser zu unterstützen und vor allem den Sektor auch als Teil der regionalen Wertschöpfung anzuerkennen.

Dorit Nyenhuis, Sauenhalterin und Vorsitzende des Fachausschusses Schwein im Bauernverband Sachsen-Anhalt, fordert: „Die Schweinehalter in Sachsen-Anhalt brauchen jetzt ein deutliches Signal der Politik, dass Landwirtschaft, Tierproduktion und Verarbeitung im Land gewünscht sind. Andernfalls wird es der nachfolgenden Generation nicht vermittelbar sein, dass sie weiterhin regional erzeugen. Die Produktion wird dann in anderen Ländern stattfinden. Der Kampf gegen die ASP unter Corona-Bedingungen darf nicht auf dem Rücken der Tierhalter ausgetragen werden.“

Im Falle von sich weiter zuspitzenden Abnahmeschwierigkeiten oder möglichen regionalen Restriktionen zum Tiertransport müssen Politik und Verwaltungen Rahmenbedingungen schaffen, die eine regionale Erzeugung weiter ermöglichen. Die laufende Tierproduktion ist ein Kreislauf, der nicht kurzfristig angehalten werden kann. Zuletzt wurden in Deutschland Corona-bedingt rund 50.000 Schweine weniger pro Woche geschlachtet. Das hatte bereits eine hohe Belastung der Betriebe zur Folge, da die Tiere in den Mastbetrieben weiter versorgt werden müssen und bei Sauenhaltern weiter Ferkel geboren werden. Wenn Strukturbrüche in der Schweineproduktion nicht aktiv verhindert werden, wird sich die regionale Urproduktion tierischer Lebensmittel weiter in das Ausland verlagern. Das hilft niemandem.

 

Hintergrund: Vor einem Monat wurde bei einem Wildschwein in Deutschland erstmals die Afrikanischen Schweinepest bestätigt. Seitdem kommt es wiederholt zu Kadaverfunden von Wildschweinen, inzwischen wurde das Virus bei 69 toten Wildschweinen festgestellt. Die Fundorte erstrecken sich über drei Landkreise in Brandenburg (Spree-Neiße, Oder-Spree und Märkisch Oderland) in denen mittlerweile zwei Kerngebiete eingerichtet wurden. Auch für Ackerbau-, Milchvieh- und Rindermastbetriebe käme es bei einem Ausbruch der ASP zu Einschränkungen. Für Nutzflächen werden im Falle von ASP-Funden Bewirtschaftungs- und Ernteverbote verhängt. Seitens der vom Landkreis beauftragten Behörden muss eine zügige Freigabe der Flächen gewährleistet werden, sobald es die epidemiologische Lage zulässt, d.h. wenn auf den Feldern im Risikogebiet kein Wildschweinkadaver gefunden wird.

Kommentar der Verbandsspitze im Informationsheft 10/2020

Monatlich veröffentlicht der Bauernverband Sachsen-Anhalt e.V. im verbandseigenen Informationsheft einen Kommentar zu aktuellen Geschehnissen und Entwicklungen. Mitglieder können das Heft im Mitgliederbereich lesen und erhalten es als Printversion. Nichtmitglieder finden hier die Möglichkeit eines Abonnements und einen Einblick in die Themen der letzten Ausgaben.

 

Kommentar

Werte Berufskolleginnen und Kollegen,
vielleicht zu Beginn ein paar aufmunternde Worte, um die nachfolgenden Themen besser verarbeiten zu können. Irgendwie sind wir im täglichen Leben ja alle mehr oder weniger von diesem Coronavirus betroffen. An dieser Stelle lobe ich mir doch das Leben als „Landei“ in einem relativ dünn besiedelten Bundesland, ohne U-Bahn-Gedränge, Parkplatzsuche, Wohnraumknappheit, mit viel Platz zum Leben.
Aber zum Thema Mäuse: Wenn wir Landwirte mal so viele Mäuse auf dem Konto hätten wie auf dem Acker. Hier zeigt sich wieder das volle Ausmaß unserer Bürokratie. Viel zu spät kam aus Sicht der Betroffenen die Nachricht, eine Mäusebekämpfung mit Rodentiziden werde vor November erlaubt. Von der Verkündung an vergingen nochmal drei Tage, bis das dazu nötige Antragsformular vorhanden war. Nach der Anmeldung der Bekämpfung müssen die Landwirte nochmal fünf Tage warten, ob kein Widerspruch gegen die Maßnahme eingelegt wird. Das alles hätte früher geschehen müssen, denn das Thema hat sich, wie auch die Feldmausbestände, über Monate aufgebaut. Erst zu handeln, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist, darf einfach nicht die Lösung sein. Es ist bezeichnend für den Druck durch die Feldmausproblematik in der Landwirtschaft, wenn man beobachtet hat, dass das Thema unter den Landwirten in den betroffenen Regionen für mehr Aufregung als die Trockenheit gesorgt hat. Den Landwirt und sein Arbeiten immer weiter zu regulieren und ihm Auflagen aufzuerlegen, wie hier bei der Nager-Bekämpfung, wird die heimische Landwirtschaft nur schädigen.
Damit meine ich eine Landwirtschaft, die in der Lage ist, die heimische Bevölkerung zu ernähren. Davon sind wir immer weiter entfernt. Diese ganzen steuersubventionierten und nicht vom Markt getragenen Ökoexperimente sind meiner Ansicht nach naiv und gefährlich für das Klima sowie den sozialen Frieden in der Welt. Wer als Landwirt seine ökonomische Nische im Ökologischen gefunden hat, hat meinen größten Respekt. Ich selbst habe als Kind und Jugendlicher mein Öko-Soll in der Landwirtschaft erfüllt. Wenn unsere Gesellschaft aber eine Landwirtschaft fernab von Lebensmittelsicherheit und Stabilität möchte, wenn sich dem Öko-Gedanken alles andere unterordnen soll, muss das auch an der Kasse 1 zu 1 bezahlt werden.
Und dieses Geld muss beim Landwirt ankommen!
Luisa Neubauer, Deutschlandsprecherin von Fridays for Future, postet ihre weltweiten, privaten Urlaubstrips, sie verbläst dabei Unmengen an CO² und lässt sich dann als Umweltschützerin feiern. Glaubwürdigkeit sieht anders aus. Umweltschutz bedeutet in erster Linie Konsumverzicht, etwa bei Textilien, Handys, Urlaubsreisen und auch Einschränkung in der Ernährung aus tierischen Produkten. Doch 80 % der Weltbevölkerung wollen erst einmal das Niveau unseres jetzigen Lebensstandards erreichen. Wer bringt diesen Menschen bei, dass Konsumverzicht praktiziert werden muss? Dabei schätze ich es so ein, dass für alle Menschen in der Welt genügend Essen und auch genügend Geld vorhanden ist. Es ist eine Frage der Verteilung – und der Bildung. Nur gebildete Menschen sind in der Lage, ihre Regionen aufzubauen und die jeweilige Entwicklung zu steuern. Es ist der vollkommen falsche Weg, wenn im Rahmen der aktuellen Flüchtlingspolitik Fachkräften in Deutschland dauerhaftes Bleiberecht gewährt wird und die sogenannten Leistungsträger in ihrer Heimat zum Aufbau fehlen. Fachkräfte sollten hier ausgebildet werden und anschließend in ihren Heimatländern für Wohlstand und eine bessere Zukunft sorgen. Alles andere spaltet die Gesellschaft in Europa. Es sind unsere Waffenexporte, die für Flüchtlingsströme sorgen. Dabei ist das, was wir als Gesellschaft exportieren müssen, Bildung!
Mit Blick in die Zukunft muss auch der Bauernverband sich weiterentwickeln. Für mich spiegelt sich das in der Faktenlage wider: In keinem Wirtschaftszweig gibt es eine so hohe durchschnittliche Jahres-Arbeitsstunden-Belastung mit so geringem Verdienst. Für manche Betriebe sind jährliche Einkommensverluste schon fast normal geworden. Die Erzeugerpreise stagnieren seit Jahrzehnten, die gesellschaftliche Anerkennung unserer Arbeit sinkt und Auflagen und Verbote nehmen zu. Selbst in den Anfängen der Corona-Krise fehlte die Anerkennung der landwirtschaftlichen Urproduktion als systemrelevant! Der öffentliche Dienst setzt alle Jahre wieder Lohnerhöhungen durch, das ist eigentlich ein Ziel, was wir versuchen müssten zu erreichen.
Um die ganz dicken Bretter bohren zu können, müssen wir als gesamte Branche aber deutlich kampagnenstärker werden. Im letzten Jahr hatten viele Landwirte gezeigt, dass sie unabhängig von Zugehörigkeiten motiviert und auch mobilisiert werden können. Das müssen wir in Zukunft mehr nutzen. Wir müssen in der öffentlichen Wahrnehmung mehr Druck aufbauen, um unsere Interessen durchzusetzen. Die Gegner einer modernen und damit zeitgemäßen Landwirtschaft tun das bereits. Nur ein Beispiel: Im Rahmen der unsäglichen Düngeverordnung, die leider mit sehr knapper Mehrheit von 35 zu 34 Stimmen durchgesetzt wurde, konnte zumindest in Sachsen-Anhalt an nicht einer Messstelle mit erhöhten Nitratwerten bewiesen werden, dass die aktuelle landwirtschaftliche Düngepraxis Verursacher der erhöhten Messwerte ist. Solche Punkte müssen wir immer wieder bringen, bis es auch alle verstanden haben.
Mit freundlichen Grüßen
Lutz Trautmann

Blick ins Heft:

Erster ASP-Fund bei einem Wildschwein in Brandenburg

Am 10. September wurde durch Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner bekanntgegeben, dass bei einem toten Wildschwein in Brandenburg die Afrikanische Schweinepest (ASP) nachgewiesen wurde.

Die tierhaltenden Betriebe in Sachsen-Anhalt haben in den vergangenen Jahren ihre Maßnahmen hinsichtlich der Biosicherheit immer weiter ausgebaut, etwa die Umzäunung der Ställe und die Anpassung der jeweiligen Hygiene-Konzepte. In den Kreisen haben sich die Schweinehalter, Kreisbauernverbände und Ämter abgestimmt und Informationsketten aufgebaut, um koordinierte Maßnahmen zu treffen, sollten in der Zukunft in Sachsen-Anhalt Wildschweine gefunden werden, die nachweislich ASP-positiv sind. Damit die ASP sich nicht weiter ausbreitet, sind neben den schweinehaltenden Betrieben auch Politik und Verwaltung mit gefordert, die vorhandenen Schutzkonzepte zu prüfen und nötigenfalls anzupassen. Auch sollte nun dringend der vonseiten der Tierhalter geforderte, dauerhafte Zaun an der polnischen Grenze eingerichtet werden und weiterhin eine konsequente Bejagung von Schwarzwild stattfinden.

Zwei Aspekte hinsichtlich der ASP müssen deutlich betont werden: Die Afrikanische Schweinepest ist für den Menschen nicht ansteckend und der Verzehr von Schweinefleisch ist auch weiterhin ungefährlich. Da das Virus sich über Fleischprodukte wie an Raststätten weggeworfene Wurstbrote verteilen kann, sollten keine Essensreste mit tierischen Produkten in der Natur weggeworfen werden.

Kommentar der Verbandsspitze im Informationsheft 09/2020

Monatlich veröffentlicht der Bauernverband Sachsen-Anhalt e.V. im verbandseigenen Informationsheft einen Kommentar zu aktuellen Geschehnissen und Entwicklungen. Mitglieder können das Heft im Mitgliederbereich lesen und erhalten es als Printversion. Nichtmitglieder finden hier die Möglichkeit eines Abonnements und einen Einblick in die Themen der letzten Ausgaben.

 

Kommentar

Sehr geehrte Verbandsmitglieder, werte Kolleginnen und Kollegen,
das vor Ihnen liegende Titelbild wird erstaunen – es ist nicht aus Sachsen-Anhalt, sondern aus einem der von der Wanderheuschreckenplage bedrohten Gebiete in Ostafrika. Diese seit Anfang des Jahres medial thematisierte Heuschreckenplage, zwischenzeitlich von Corona so gut wie aus der Wahrnehmung verdrängt, nimmt sogenannte biblische Ausmaße an, vernichtet umfangreich Ernten, die Wirtschaftsgrundlagen von Bauern und bedroht die gesamte Ernährungslage vor Ort. Während bei uns in Deutschland die mögliche zweite Corona-Welle auf und ab diskutiert wird, sterben in Afrika Menschen an Hunger, weil Insekten großflächig Ernten vernichten. Eine Situation, die man sich nicht vorstellen kann in unserem Wohlstandsland der immer gefüllten Regale, in dem man zu jeder Zeit alles kaufen kann, so man dazu die finanziellen Möglichkeiten hat.
Wie aber bekämpft man dieses Naturphänomen in Afrika nun und was machen verschiedene politische Akteure? UNICEF hat sich dazu erst in diesen Tagen geäußert. „Um gegen die Heuschrecken-Plage vorzugehen, ist die Bekämpfung der Heuschrecken und ihrer Larven mit Insektiziden aus der Luft das einzig wirksame Mittel. Die Auswirkungen von Covid-19 machen sich jedoch auch bei der Bekämpfung bemerkbar: Es gibt Schwierigkeiten bei den Lieferketten für Insektizide und Pestizide und auch der Einsatz von Hilfskräften stockt. Die Regierungen und verschiedene Hilfsorganisationen wie die Welternährungsorganisation und UNICEF tun alles in ihrer Macht stehende, um eine Nahrungskatastrophe abzuwenden. Sowohl um die Ausbreitung der Heuschreckenschwärme zu stoppen als auch zur Unterstützung der Lebensgrundlagen der Menschen sind dringend finanzielle Mittel erforderlich.“
In einem Interview auf T-Online vom Mai 2020 mit Bundesentwicklungshilfeminister Gerd Müller unter dem Titel „Es droht eine dramatische Hungerkrise“ erklärte dieser: „In Ostafrika ist Corona nicht die einzige Krise. Neben Kriegen und jahrelangen Dürren plagen Abermillionen Heuschrecken die Region. Es droht eine verheerende Hungersnot“. Auf die Nachfrage nach den Heuschrecken antwortete er „Leider ist das so. Im Schatten der Coronakrise droht die Heuschreckenplage zum jahrelangen Problem zu werden. Es können kaum Personal und Material zur Bekämpfung eingesetzt werden und schon bald sind nicht mehr ausreichend Insektizide vorhanden. In den kommenden Wochen entscheidet auch das Wetter maßgeblich mit. Das feuchte Wetter in der Regenzeit schafft gute Brutbedingungen und die Heuschrecken verbreiten sich durch den starken Wind viel leichter.“
Warum ich diese beiden Textstellen zitiere werden Sie sich fragen: Es war nicht einfach, klare Aussagen für den Einsatz von Insektiziden zur Erntesicherung zu finden. Es wird stets von Bekämpfung gesprochen, aber das Wort der Insektizide nimmt man kaum in den Mund, es ist quasi kaum per Google zu finden. Nur was soll denn gegen ein solches massenhaftes Auftreten von Schädlingen helfen, wenn nicht Insektizide? Warum kann man nicht durchgängig klar formulieren, was es nun dringend braucht? Auf die Aussage von Regierungsvertretern, wir würden hier vor Ort in Deutschland im Falle des Falles und auch zur normalen Behandlung von Ernteschädlingen Insektizide brauchen, darauf werden wir lange warten können. Es hat sich mittlerweile ein dogmatischer Sprachgebrauch festgesetzt, der es schwer macht, Aufgabenfelder im Agrarbereich umfassend, ehrlich und wissenschaftlich zu beraten und vor allem intensiv und fair zu diskutieren.
Während also in Afrika Heuschrecken Ernten vernichten, hat das BMU auf 32 Seiten den Referentenentwurf zum Entwurf eines „Gesetzes zum Schutz der Insektenvielfalt in Deutschland“ vorgelegt, der Änderungen im Bundesnaturschutzgesetz und des Wasserhaushaltsgesetzes vorsieht. Wer sich erinnert: Die Proteste von Landwirten im letzten Herbst/Winter lagen auch darin begründet, dass das Aktionsprogramm Insektenschutz auf dem Tisch lag. Es wird kaum einen Landwirt geben, der etwas gegen nützliche Insekten hat und nicht verstanden hat, dass wir diese brauchen. Zudem steht vor dem Einsatz von Insektiziden gegen Schadinsekten auf landwirtschaftlich genutzten Flächen ein umfangreiches behördliches Genehmigungsverfahren mit entsprechenden Anwendungsbestimmungen in der Praxis.
Nicht erstaunlich ist, dass im Referentenentwurf pauschal und undifferenziert von Pflanzenschutzmitteln gesprochen wird. Hätte man zum Schutz von Insekten auf den Einsatz von Insektiziden abgestellt, dann wäre das ein zu verstehender Ansatz. Die Vereinfachung mag daran liegen, dass man nun jahrelang verbreitet hat, dass ein Totalherbizid Tiere vernichtet. Zurück und Fehlerkorrektur wird in dem Haus eher schwierig sein, da ist die politische Linie dagegen. Die weiteren Details werden nun im Gesetzgebungsverfahren geklärt und der Berufsstand bringt sich entsprechend ein. Was kaum beachtet wird: jedem Gesetzentwurf liegt auch eine Kalkulation der Kosten der Umsetzung für Verwaltung, für Wirtschaft und für Bürgerinnen und Bürger zugrunde, der sogenannte Erfüllungsaufwand. Es sind diese finanziellen Positionen in Gesetzentwürfen, die viel zu wenig beachtet werden und angewendet auf den vorliegenden Referentenentwurf sind die eigenen Definitionen und Vorgaben der Bundesregierung nicht vollständig umgesetzt. Es ist also mehr als dringend geboten, dass sich zuständige Ministerien ehrlich machen und die wahren Kosten auch der Wirtschaft kalkulieren, anstatt schematisch zu vereinfachen, um gewollte Themen einfach durchzuboxen. Wer es ehrlich meint, wird das machen.
Ihr Marcus Rothbart

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